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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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Abzweigung nach links gefunden, die sie wieder auf die richtige Route brachte. Auf diese Weise hatten sie eine der schönsten Straßen Englands entdeckt, jene Art von Straße, bei der man sofort fünfundzwanzig Stundenkilometer langsamer fährt, weil man sie nicht so schnell hinter sich lassen will.
    Eine Lektion für unsere Straßenplaner, fand Henry und schrieb im Geiste wieder einen Brief an die
Times
. Vielleicht konnte die Schönheit von Bäumen und Landschaftsplanung das erreichen, was drohende Radarkontrollen und Kameras nicht schafften.
    Dieses Argument wurde durch den vagen Verdacht unterlaufen, dass Blitzer womöglich doch wirkungsvoll waren. Aber das machte nichts, er konnte seine Argumentation immer noch so umstellen, dass der Vorteil der Schönheit darin bestand, Freude auszulösen, nicht Hass auf die Macht der Gesetzeshüter. Ja, da war etwas dran. In London wollte er noch einmal darüber nachdenken.
    Henry fuhr nur noch dreißig Stundenkilometer und hatte das Schiebedach geöffnet. Es gab keinen Verkehr, denn die meisten Fahrer bevorzugten die ausgeschilderte Strecke nach Brandon, die am amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Lakenheath mit seinen kreischenden Jets und dem verwahrlosten Golfplatz vorbeiführte.
    Diese langsame Alternativroute schlängelte sich durch den östlichen Teil des Thetford Forest, und man fühlte sich buchstäblich in die fünfziger Jahre zurückversetzt, eine Reise in die Vergangenheit. Zu Beginn war der Wald nur in der Entfernung zu sehen, frische Rodungen ermöglichten zu beiden Seiten der zweispurigen Straße Durchblicke. Nach etwa anderthalb Kilometern rückten die Bäume näher – erst ein paar Kiefern und Birken, dann das ganze Blätterdach des Waldes, das sich über die Straße neigte. Selbst Mitte April wirkte die Architektur der überhängenden Bäume berauschend, und Maude schob für eine Weile ihre Bedenken gegen diese Fahrt beiseite. Erst hatte sie sich geweigert mitzukommen.
    »Henry, das geht einfach nicht. Du hast Tom seit Jahren nicht gesehen, und dann tauchst du mit irgendeiner jungen Tussi als Freundin auf.«
    »Du bist keine Tussi.«
    »Das werden sie aber glauben.«
    »Wenn noch jemand anderer dabei ist, wird es nicht ganz so peinlich werden – da bieten sich weniger Gelegenheiten für gegenseitige Anschuldigungen. Vor Fremden wird er nicht wütend.«
    »Du irrst dich. Das wird eine Katastrophe.«
    In Swafham hielt er auf dem Stadtplatz und rief wie versprochen Tom an – irgendeine kulinarische Zeitvorgabe machte es notwendig, genau zu wissen, wo er gerade war. Henry blieb während des Anrufs die meiste Zeit über stumm. Maude war beunruhigt.
    »In Ordnung, wir sehen uns in vierzig Minuten.« Henrylegte auf und drehte sich zu ihr um.
    »Ich brauch mal frische Luft.«
    Er öffnete aber nicht die Fahrertür, wie Maude erwartet hatte, sondern ließ die Stirn auf das Lenkrad sinken.
    »Henry, was ist passiert?«
    Er blickte auf.
    »Es sieht so aus, als hätte ich einen Enkel.«
    Maude sagte nichts darauf.
    »Sie haben ein Kind. Einen Jungen. Er heißt Hal und ist fast vier, ich kann’s nicht fassen. Vier Jahre … und ich wusste nicht mal, dass es ihn überhaupt gibt.«
    Er öffnete das Handschuhfach und suchte nach einem Taschentuch.
    Maude saß reglos auf ihrem Platz, wollte ihn trösten; gleichzeitig aber stieß sein Kummer sie ab. Sie fühlte sich unwohl. Sie sah, wie sein Kinn zu zittern begann, sah die Tränen auf seiner Wange. Was zum Teufel machte sie eigentlich hier?
    »Es tut mir so leid, Henry.«
    Noch immer hatte sie die Straßenkarte auf dem Schoß.
    »Du kannst mich in Fakenham raussetzen, dann fahre ich nach London zurück.«
    Als er etwas sagte, konnte sie hören, wie getroffen er war.
    »Wirklich, das würdest du tun? Wahrscheinlich wäre es am besten so.«
    Er setzte sie an einem Hotel in der Ortsmitte ab, wo sie sich ein Taxi nach Norwich nehmen konnte und von dort dann den Zug zur Liverpool Street. Sie hatten sich unbeholfen voneinander verabschiedet.
    »Ich muss dir etwas Geld geben.«
    »Ich habe eine Kreditkarte.«
    »Nein, nein.«
    Henry rutschte auf dem Sitz herum und langte in seine Hosentasche. Der Sicherheitsgurt störte, doch er kam nicht auf den Gedanken, ihn abzulegen. Maude saß da und schaute nach vorn.
    »Tut mir leid, dass es so gekommen ist.«
    Sie nahm das Geld. Henry ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Sie berührten sich nicht. Ein Flattern der Hände, dann war sie im Hotel verschwunden.
    Es ist

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