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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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dass da nichts mehr zu machen war.
    Um drei Uhr fünfzehn ging in Mr Pendrys Bad auf der anderen Straßenseite das Licht an. Ein dringendes Bedürfnis, nahm Henry an. Schade, dass Mr Pendry nicht früher dran gewesen war. Sogar in diesem Augenblick wusste Henry bereits, dass ein Zeuge hilfreich gewesen wäre.

44.
    Walter Godelee lag wach im Gästezimmer, als das Telefon klingelte. Seine Frau, mit der er das Bett achtunddreißig Jahre lang geteilt hatte, schlief eine Etage tiefer. Sein Auszug aus dem Ehebett war nicht Ergebnis eines Streits, sondern seines Hustens, ein hartnäckiges Kitzeln, das ihnen schon seit fast einer Woche den Schlaf geraubt hatte.
    »Ist wohl besser, wenn wenigstens einer von uns beiden schlafen kann«, hatte er eine Stunde zuvor gemurmelt und Uhr und Lesebrille vom Nachttisch genommen.
    Seine Frau hatte den Kopf vom Kissen gehoben und sich insgeheim gefragt, warum er fünf Nächte gebraucht hatte, um endlich darauf zu kommen.
    »Ach, Liebling«, hatte sie gesagt, »meinst du wirklich? Aber nicht meinetwegen.«
    Als die Tür ins Schloss fiel, hatte sie geseufzt und die Decke hochgezogen. Noch bevor Walter den Treppenabsatz erreicht hatte, war sie wieder eingeschlafen.
    Walter hatte schon beim ersten Klingeln abgehoben;er wusste, nächtliche Anrufe bei Anwälten bedeuteten Ärger.
    Henry erklärte, er sei auf dem Polizeirevier Chelsea, und gab Walter eine Kurzfassung von der Geschichte mit Bateman und den Ereignissen der Nacht.
    »Bist du festgenommen worden?«
    »Ja, ich bin belehrt worden, und man hat mir auch gesagt, es würde ein förmliches Verhör geben. Man hat mir gesagt, ich dürfe einen Anwalt anrufen. Tut mir leid, dass ich dich aus dem Bett klingeln muss.«
    »Nein, mir tut es leid, dass du eine so fürchterliche Zeit durchmachen musst.«
    Walter griff nach der Uhr und überschlug, wie lange er brauchen würde. »In zwanzig Minuten bin ich da. Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, eine solche Verhaftung ist erschreckend, unter diesen Umständen aber nichts Ungewöhnliches. Wenn ich bei dir bin, wird man uns ein Gespräch unter vier Augen zugestehen, bevor wir ins Verhörzimmer gehen – also verhalte dich ruhig und halt den Mund.«
    In Wahrheit war Walter keineswegs so ruhig, wie er klang. Warum zum Henker hatte Henry ihn nicht schon früher angerufen, gleich nach dem Notruf? Er musste doch gewusst haben, dass er noch am Tatort verhört werden würde. Das Problem mit gesetzestreuen Bürgern, dachte Walter, während er sich vorbeugte und seine Socken anzog, ist, dass sie keine Angst haben. In dem irrigen Glauben, dass ihre Unschuld sie unangreifbar macht, stürmen sie blind auf die verborgenen Fallstricke des Rechts zu.
    Trotz allem, was Walter gesagt hatte, um Henry zu beruhigen, war die Verhaftung keineswegs nur reine Formsache. Es musste etwas an Henrys ersten Reaktionen gewesen sein, was die Polizei veranlasste, ihn des Totschlags zu verdächtigen. Walter kannte seinen Klienten. Unter solchen Umständen war es besser, der Klient wurde von blanker Angst erfasst als von rechtschaffener Entrüstung. Walter hatte Henry bei seiner Scheidung vertreten, und er wusste, dass Henry zu verzweifelter Wut neigte.
    Auf dem Revier geleitete man Walter sofort in das Verhörzimmer. Henry wirkte ruhig. Es war ihm gestattet worden, sich umzukleiden (Schlafanzug und Hausmantel waren beschriftet, eingetütet und weggebracht worden), und er trug einen Anzug ohne Krawatte. Ein uniformierter Beamter brachte Walter einen Kaffee. »Den werden Sie brauchen«, sagte er mit regloser Miene und schloss leise die Tür hinter sich.
    Walter hatte einen Block und einen Stift bereitgelegt.
    »Es sieht folgendermaßen aus. Die Polizei kann dich vierundzwanzig Stunden hierbehalten – dann muss sie entweder Anklage erheben oder dich freilassen. Falls die Polizei weitere Nachforschungen anstellen oder die Anklagevertretung konsultieren will, können sie dich gegen Kaution auf freien Fuß setzen, unter der Bedingung, dass du zu einem festgesetzten Datum wieder hier erscheinst.«
    Henry nickte, stellte aber keine Fragen. Walter fuhr absichtlich unpersönlich und sachlich fort. Er wollte Henry damit klarmachen, dass er sich nun im Land des Rechtsstaatsprinzips bewegte, dass jede Äußerung Konsequenzenhatte, dass keine Frage beiläufig war und keine Antwort unbedacht gegeben werden durfte.
    »Meiner Meinung nach könnte eine Entlassung auf Kaution bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ermittlungen angesichts deiner bisherigen

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