Die Sphaeren
praktisch von der Kinderkrippe an sein bester Freund gewesen. Heute gehörte er als Offizier zu den Streitkräften und trug die Uniform des alten Fliegerkorps. »Du bist hier! Ich habe dich in der Schlacht vermutet! Wie schön, dich zu sehen!«
»Ich habe die letzten Tage in einem der großen Lyge-Türme verbracht, mit einer Staffel der Tiere. Leichte Waffen. Für den Fall eines Luftangriffs. Hör mal …« Tove legte Oramen die Hand auf den Arm. »Das mit deinem Vater und Ferbin ist eine wirklich schlimme Sache. Die Sterne würden weinen, Oramen. Mir fehlen die Worte. All die Männer des Korps … Du solltest wissen, dass wir deinem Befehl unterstehen.«
»Wohl eher dem von Loesp.«
»Er ist dein Meisterkämpfer, Oramen. Er wird dir gute Dienste leisten, da bin ich sicher.«
»Ich auch.«
»Dein Vater, unser lieber König, unser …« Toves Stimme brach. Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab, biss sich auf die Lippe und schniefte.
Oramen glaubte, seinen alten Freund trösten zu müssen. »Er starb glücklich, nehme ich an«, sagte er. »In der Schlacht, und siegreich, wie es seinem Wunsch entsprach. Wie wir es uns alle gewünscht haben. Na ja.« Er sah sich kurz auf dem Hof um. Die streitenden Adligen schienen zu versuchen, Aufstellung zu beziehen, aber von seinem Reittier war noch immer nichts zu sehen. Mit dem Dampfwagen wäre er doch schneller gewesen. »Es ist ein Schock«, fuhr er fort. Tove blickte noch immer zur Seite. »Ich werde ihn vermissen. Ihn … schrecklich vermissen. Ganz klar.« Tove sah ihn wieder an. Oramen lächelte breit und blinzelte. »Um ganz ehrlich zu sein … Ich glaube, ich bin wie ein halb betäubtes Tier, das noch immer herumläuft, mit verdrehten Augen. Ich rechne damit, jeden Moment zu erwachen. Das würde ich jetzt machen, wenn ich könnte.«
Der Glanz in Toves Augen veränderte sich. »Als die Soldaten vom Tod ihres geliebten Königs erfuhren … Wie ich hörte, fielen sie über die Gefangenen her und töteten jeden einzelnen von ihnen.«
»Ich hoffe, das stimmt nicht«, sagte Oramen. »Davon hätte mein Vater nichts gehalten.«
»Sie haben ihn getötet, Oramen! Diese Tiere! Wenn ich doch nur dabei gewesen wäre! Ich hätte ebenfalls gern Vergeltung geübt.«
»Keiner von uns beiden war dabei. Hoffen wir, dass das, was in unserem Namen geschah, Ehre bringt.«
Tove nickte langsam, und seine Hand schloss sich fester um den Arm des Prinzen. »Du musst stark sein, Oramen«, sagte er.
Oramen musterte seinen alten Freund. Stark, ja. Das war die geistloseste Bemerkung, die Tove je an ihn gerichtet hatte. Der Tod schien sich seltsam auf die Lebenden auszuwirken.
»Nun …«, sagte Tove mit einem listigen, zögernden Lächeln, »nennt man dich jetzt Hoheit, Majestät oder so?«
»Noch nicht …«, begann Oramen, doch dann führten ihn ein Graf und mehrere Herzöge zu seinem Ross.
Auf der Straße von Xilisk, in der Nähe einer kleinen Stadt namens Evingreath, begegnete der Trauerzug mit der Bahre des Königs der von Prinz Oramen angeführten und kaum kleineren Prozession. Sofort sah er den Prinzregenten im Licht zischender Reiselaternen und im Vorlicht des Rollsterns Domity, den noch Stunden vom Aufgang trennten. Mertis tyl Loesp, von dem alle wussten, dass er fast sein ganzes Leben lang die rechte Hand des Königs gewesen war, stieg ab, ging mit schweren Schritten zum Reittier des Prinzen, sank auf der schlammigen Straße auf ein Knie und neigte den Kopf, sodass sein silbergraues Haar, noch zerzaust vom kummervollen Zerraufen, und sein bestürztes Gesicht, noch dunkel vom Schießpulverrauch und tränennass, auf einer Höhe mit dem im Steigbügel steckenden Fuß des Prinzen waren. Dann hob er den Kopf und sprach diese Worte:
»Sir, unser geliebter Herr der König, dein Vater und mein Freund, und der Freund und Vater seines Volkes, kehrt im Triumph zu seinem Thron zurück, aber auch im Tod. Einen großen, vollständigen Sieg haben wir errungen, der uns unschätzbare
Vorteile gibt. Doch unser Verlust geht weit über das hinaus, was wir errangen, in einem schier unvorstellbaren Maße. Neben diesem abscheulichen Preis verblasst unser so ruhmvoll erkämpfter Triumph. Ohne die beispiellose Führung und unerschütterliche Entschlossenheit deines Vaters wäre der Sieg nicht möglich gewesen.
Und so fällt es mir zu, für die kurze Zeit zwischen diesem höchst bedauerlichen Tag und dem glücklichen deines Amtsantritts zu regieren, ein ebenso großes wie
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