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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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zu gelten, ob ihre Höhe nun real war oder in erster Linie metaphorische Bedeutung hatte.
    »Sir?«, rief er ins hohle Rund der Mauern. Seine Stimme hallte von den Wänden wider. Drinnen waren sie in einem
noch schlechteren Zustand als draußen. Die untere Reihe der Öffnungen darin, viel zu breit für eine echte Befestigungsanlage, bot einen angenehmen Blick auf Hügel und Wald. Der Xiliskische Turm ragte blass und gewaltig in der Ferne auf und verschwand in den Wolken. Hier und dort hingen Rauch- und Dampffahnen über der Landschaft, wie nach der Ernte stehen gebliebene Halme, und alle wurden vom Wind in eine Richtung gelenkt.
    Choubris hinkte weiter in den alten Prachtbau hinein. Das linke Bein schmerzte noch immer dort, wo der übergeschnappte Mersicor am Tag zuvor darauf gefallen war. Er wurde allmählich zu alt für solche Sachen. Holse hatte inzwischen die mittleren Jahre erreicht, wurde fülliger und distinguiert. (Oder wie es seine Frau ausdrückte, die nicht zu beschönigenden Beschreibungen neigte: Er bekam einen Bauch und graue Haare.) Die ganze Seite schmerzte, jede einzelne Rippe, wenn er tief durchatmete oder zu lachen versuchte. Nicht, dass es hier viel zu lachen gab.
    Während seines Ritts hatte Choubris viele Zeichen der Schlacht gesehen: ganze verheerte Landstriche, die Äcker zerwühlt und voller Krater; Wälder und Gehölze, die noch immer in Flammen standen; andere Orte, wo die Feuer gerade gelöscht worden waren und noch immer Rauch vom verbrannten Boden aufstieg; die Reste von Wagen und Kriegsmaschinen wie die Überbleibsel großer Insekten, ihre Aufbauten zerschmettert, die Gleisketten darunter zerrissen; tote Kampftiere, manche zerdrückt und zerquetscht, Uoxantch, Chunsels und Ossesyi, außerdem noch einige Arten, die Choubris nicht kannte.
    Er hatte Gruppen verwundeter Soldaten gesehen, die in Kolonnen
marschierten oder auf Karren unterwegs waren. Andere ritten wichtigtuerisch auf Mersicors, und einige wenige flogen mit Caude, drehten majestätische Kreise am Himmel und vollführten gelegentlich angeberische Sturzflüge, auf der Suche nach überlebenden Feinden; manche von ihnen flogen auch geradeaus und schnell, waren vermutlich damit beauftragt, Nachrichten zu überbringen. Choubris war an Technikern vorbeigekommen, die Telegrafenlinien einrichteten oder reparierten, und dreimal hatte er die Straße und oder den Weg verlassen müssen, um zischende, fauchende Dampfwagen passieren zu lassen. Er hatte auf den Hals der alten Rowelstute geklopft und beruhigende Worte an sie gerichtet, obwohl sie gar nicht nervös geworden war.
    Holse hatte auch viele Arbeitsgruppen gesehen, die Massengräber für tote Feinde aushoben, von denen es ziemlich viele zu geben schien. Die Deldeyn, so fand er, sahen eigentlich wie normale Leute aus. Ihre Haut mochte etwas dunkler sein, aber das lag vielleicht daran, dass sie tot waren.
    Er hatte angehalten und mit jenen geredet, die bereit gewesen waren, Zeit für ihn zu erübrigen, ungeachtet des Rangs. Er nutzte diese Gelegenheiten, um nach vermissten Adligen auf weißen Streitrössern zu fragen, aber hauptsächlich ging es ihm darum, ein wenig zu schwatzen, was er bereitwillig zugegeben hätte. Zusammen mit dem Hauptmann einer Gruppe nahm er eine Crile-Wurzel, teilte eine Pfeife Unge mit dem Feldwebel eines anderen Trupps und dankte einem Quartiermeister-Leutnant für eine Flasche starken Weins. Die meisten Soldaten waren nur zu gern bereit, über ihre Rolle bei der Schlacht zu sprechen, doch nicht alle. Insbesondere die Männer, die die Massengräber aushoben, neigten dazu,
wortkarg und sogar unwirsch zu sein. Choubris hörte einige interessante Dinge, wie jeder, der ungezwungene Gespräche zu schätzen wusste.
    »Prinz?«, rief er lauter, und erneut warfen die Steine des alten Prachtbaus seine Stimme zu ihm zurück. »Sir? Sind Sie hier?« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf unter der offenen Krone des leeren Turms. »Ferbin?«
    Er hätte eigentlich nicht den Namen seines Herrn rufen sollen, aber der Prinz schien ohnehin nicht da zu sein, und diese Art der Anrede bescherte ihm eine gewisse Aufregung. Zu den Vorteilen der Untergebenen, so fand Choubris, zählte die Möglichkeit, die Vorgesetzten hinter ihrem Rücken zu beleidigen. Außerdem hatte ihm Ferbin oft genug angeboten, ihn beim Namen zu nennen, allerdings meistens in betrunkenem Zustand. Nüchtern hatte er das Angebot nie wiederholt, und Choubris war klug genug gewesen, sein Privileg nicht zu

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