Die Sphaeren
steilen Flussufer, dass die Rückseite, an den Hang des Tals geschmiegt, sich kaum eine Etage über dem Boden befand.
Ferbin hustete noch immer, als er nach draußen kletterte, über nassen, klebrigen Boden krabbelte und sich unter einigen nahen Büschen versteckte, während das Gebäude brannte.
»Bei allem Respekt, Sir, aber sind Sie übergeschnappt?«
»Choubris, ich schwöre beim WeltGott und bei der Leiche meines Vaters: Es ist genau so, wie ich gesagt habe.«
Choubris beobachtete, wie sein Herr Wein aus der Flasche trank und mit den Zähnen Brocken vom Leib Brot abriss, und dabei gewann er den Eindruck, dass die guten Manieren verschwanden, wenn man den Tisch fortnahm. Ihm fiel auch auf, dass Prinz Ferbin unbewaffnet war, wohingegen er noch immer sein getreues Kurzmesser am Gürtel trug, ganz zu schweigen von der Armeepistole, die er vor einigen Tagen erhalten und zurückzugeben vergessen hatte – sie steckte jetzt im Kreuz hinterm Hosenbund. Hinzu kam ein kleines und außerordentlich scharfes Notmesser im einen Stiefel. Der Umstand, dass er es offenbar mit einem Geistesgestörten zu tun hatte, hob den Status dieser Tatsachen von beiläufig interessant auf das Niveau von mäßig wichtig.
Ferbin setzte die Flasche ab, ließ den Rest des Brotes auf seinen Schoß fallen und lehnte den Kopf an die Wand der Ruine, als wollte er durch die Blätter des Gebüschs, in dem er sich versteckt hatte, zum Himmel aufblicken. »Selbst du glaubst mir nicht!«, jammerte er voller Verzweiflung, schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
Das erstaunte Choubris. Er hatte den Prinzen nie auf diese Weise weinen sehen, jedenfalls nicht nüchtern. (Alle wussten, dass man durch Trinken den Druck im Körper erhöhte, was dazu führte, dass Flüssigkeit aus allen Körperöffnungen trat. Weinen im betrunkenen Zustand zählte also nicht.)
Choubris fand, dass er den Prinzen irgendwie trösten sollte. Vielleicht hatte er ihn missverstanden. Er machte einen Versuch, die Dinge ins richtige Licht zu rücken.
»Sir, wollen Sie wirklich behaupten …«, begann er und sah sich um, als fürchtete er selbst Entdeckung, »… dass tyl Loesp, der beste Freund Ihres Vaters, der Handschuh seiner Hand, die Schneide seines Schwerts und all das, Ihren Vater ermordet hat?« Er flüsterte das entscheidende Wort.
Ferbin sah ihn an, mit so viel verzweifeltem Zorn im Gesicht, dass Choubris bei dem Anblick unwillkürlich zusammenzuckte. »Er hat seine dreckige Faust in die Brust meines Vaters gebohrt und die Lebenskraft aus seinem schlagenden Herzen gequetscht!«, stieß der Prinz hervor, und seine Stimme klang wie nie zuvor, atemlos und wild. Er schnappte nach Luft und schien Mühe mit dem Atmen zu haben, als zögerten die einzelnen Luftatome im Mund, bevor sie den Weg zur Lunge fortsetzten. »Ich habe es so deutlich gesehen wie dich, Choubris.« Ferbin schüttelte den Kopf, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Und wenn es möglich wäre, es einfach wegzudenken und mir einzureden, dass ich mich geirrt habe und vielleicht an Halluzinationen litt, so würde ich sofort von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Bei Gott, mit offenen Armen und tausend Küssen würde ich sie in Empfang nehmen! Eine Million Mal wäre ich lieber verrückt und von Wahnvorstellungen heimgesucht, als zu
wissen, dass das, was ich beobachtet habe, tatsächlich stattgefunden hat!« Die letzten Worte schrie er seinem Diener entgegen und griff dabei mit einer Hand nach dem Kragen an Choubris Kehle.
Choubris rechte Hand tastete nach hinten. Einerseits wollte er sich mit ihr abstützen, damit er nicht nach hinten fiel, und andererseits hielt er es für besser, die Armeepistole schnell ziehen zu können. Dann erschlaffte plötzlich das Gesicht des Prinzen, und er sackte in sich zusammen. Er legte Choubris die Hand auf die Schulter, neigte den Kopf an die Brust seines Dieners und schluchzte: »Ach, Choubris! Wenn du mir nicht glaubst, wer dann?«
Choubris fühlte die Wärme des Prinzengesichts an seiner Brust, und Feuchtigkeit breitete sich auf dem Hemd aus. Er hob die Hand, um Ferbin auf den Kopf zu klopfen, doch das sah zu sehr nach der Geste einer Frau oder einem Kind gegenüber aus, und er ließ die Hand wieder sinken. Er fühlte sich aufgewühlt. Selbst vollkommen betrunken und in Selbstmitleid schwelgend, war der Prinz nie so bestürzt, verzagt und voller Kummer gewesen. Nichts hatte ihn so sehr erschüttert, nicht der Tod seines älteren Bruders, nicht der Verlust
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