Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
betäubt. Er hatte den Affront des anderen sehr wohl verstanden. Walram provozierte ihn! Also war es am Nachmittag kein Unfall oder Versehen gewesen. Walram hatte es auf ihn abgesehen und Johann wurde schlagartig bewusst, warum! Walram hatte ein Auge auf Ida geworfen und musste ihn, als Dietrich, nun als Nebenbuhler empfinden. Hatte Walram etwas mit Ida? Johann war für einen Moment gleichzeitig verärgert und eifersüchtig. Schon wollte er zu einer Antwort ansetzen, als Walram die Tafel umrundete, eine Leier ergriff und mit einem ersten gezupften Akkord ansetzte.
„ Vogt Gottfried, erlaubt ihr?“, fragte er, ohne eine Antwort abzuwarten. Wieder überging er seinen neuen Herrn. Walram trat in die Mitte zwischen die Tafeln.
„ Ich habe eine Minne für euch, Fräulein Ida. Nehmt sie als Ausdruck meiner Wertschätzung eures Liebreizes.“, sagte Walram. Er wusste genau, dass Dietrich dies als Herausforderung ansehen musste. Aber alles was Walram über Dietrich wusste, war, dass Dietrich kein Mann des Wortes war und so könnte er zu seiner eigenen Beschämung nicht angemessen antworten.
Er würde es hinnehmen müssen, dass Walram seiner Liebe ein Gedicht vortrug, ohne seinerseits ein paar Zeilen vortragen zu können! Walram spürte die Blicke der anderen in seinem Rücken. Er wusste, dass auch sie wussten, welchen verbalen Fehdehandschuh er Dietrich nun entgegenwarf.
„ Ich höre einen Ruf im Waid.
Dort sitzt ein Vögelein.
Es ruft: Da gibt es eine schöne Maid,
die schöner kann wohl gar nicht sein.“, sprach Walram ohne fließende Melodie. Er hielt seinen Blick starr auf Ida, die ihn entgeistert ansah. Er zupfte die Laute zu jeder Zeile, ohne jedoch die Akkorde zu wechseln, so dass sein Gedicht eher unbeholfen wirkte.
„ Ich höre auf die Arbeit
und lausche diesem Vögelein
es singt von Idas Schönheit
mit seinen Melodeien!
Singt und tut die Wahrheit kund.
Ich will es nicht verneinen!
Singt von ihren Augen, ihrem Mund.
Singt, wir sollen uns wieder vereinen.“
Walram schloss sein Gedicht und ging wortlos zu seinem Platz zurück. Die Frivolität entlockte den Anwesenden hier und da ein Glucksen oder ein Staunen. Sonst war es still. Ida sah beschämt auf den Tisch vor sich und Gottfried war stumm vor Scham. Eine so frivole Ansprache an die Braut eines anderen konnte und durfte nicht unbeantwortet bleiben. Zumal Walram Ida unterstellte, sie hätten einander schon körperlich besessen.
Singt, wir sollen uns wieder vereinen.
So still auch Dietrich bisher gewesen war, Gottfried rechnete mit einem Donnerwetter. Und plötzlich verstand er Walrams Absichten. Walram hatte Dietrich bis aufs letzte gereizt und hatte Ida gleichzeitig seine Liebe in aller Öffentlichkeit gestanden. Sollte Dietrich nicht geschickt genug im Umgang mit den Worten sein, bliebe ihm nur, sich mit Walram zu schlagen, um seiner Ehre Genugtuung zu geben.
Auch Johann war äußerst ungehalten über die Worte Walrams. Er hatte verstanden, dass Walram ihm den Kampf angesagt hatte. Für einen Moment fragte er sich, wie der echte Dietrich reagiert hätte. Wahrscheinlich hätte er sich augenblicklich mit Walram geschlagen! Alle schienen das zu erwarten. Nun, der echte Dietrich mochte da eine gute Chance gehabt haben, Johann aber sah sicher gegen den muskulösen Walram schlecht aus. Jedoch waren seine Waffen nicht aus Eisen, wenn sie auch nicht minder scharf sein konnten. Und das wollte Johann nun beweisen. Walram hatte sich in diesem Moment mit dem Falschen angelegt. Er erhob sich und spürte die Spannung, die in der Luft lag und beinahe greifbar war.
„ Ich danke euch, Herr Walram. Eure Zeilen für meine Braut waren überraschend. Überraschend unterhaltsam. Zumindest für mich. Hätten eure Zeilen ein wenig mehr Takt, in beiderlei Hinsicht, bewiesen, hätte ich mir vorstellen können, euch zu meinem Hofdichter zu machen. So bleibt es wohl beim Narrenspiel, das ich euch anbieten kann. Ihr seid darin wohl meisterhaft!“, Johann lächelte kühl.
Dann löste sich die Spannung bei den Anwesenden und erst zaghaft, dann heftiger kam Gelächter auf. Einer machte gar Walram als Hofnarr vor, in dem er Fratzen schneidend von seinem Sitz aufsprang. Ida sah Johann mit weiten Augen an. Dieser Mann passte wahrlich nicht in das Bild, das sie durch die Worte über ihn in ihrem Kopf hatte. Untypisch für die auf Ehre versessenen Männer ihre Zeit, hatte dieser Mann nicht mit körperlicher Gewalt geantwortet, sondern Walram mit wenigen Worten zum
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