Die Spinne (German Edition)
zog aus den Falten ihres Gewandes ein Handy mit Touchscreen und verfolgte beim Gehen die vorbeiziehenden Zahlen. Ihr GPS führte sie zu einem Sandabschnitt über der Wassergrenze. Dort sagte sie: »Graben, Baby.«
Es dauerte nicht lang, bis das Plastikruder und die flach zusammengelegte Kunststoffplane freigelegt waren, bei der es sich um ein Schlauchboot handelte. Zu seiner Erleichterung gab es auch eine kleine, batteriebetriebene Pumpe. Er trug alles hinunter zum Wasser, und während Leticia Wache hielt, blies er das Boot so leise wie möglich auf und schob es schaukelnd hinaus aufs Meer. Die warmen Wellen saugten an seiner Hose. Ohne Schuhe und mit zu den Hüften hochgezogener Abaya trat Leticia ins Wasser und rollte sich auf dem Rücken ins Boot. Er schob es hinaus, bis ihm das Meer an die Brust reichte, dann kletterte er hinein und nahm das Ruder.
Als sie vierzig Minuten später auf einen abgedunkelten Fischerkahn trafen, war er schon wieder völlig erledigt. Es war ein leicht verrostetes, ungefähr zehn Meter langes Kajütboot. Der Kapitän war ein alter Ägypter namens Ibrahim Fekry, der die CIA zum ersten Mal 1956 bei der Sueskrise unterstützt hatte – das erfuhr Milo in den ersten Minuten ihrer Bekanntschaft, als er dem leiernden Französisch des Mannes lauschte. Der Ägypter hatte ein narbiges Gesicht, eine von vielen Sonnenbränden fast schwarze Haut und eine unglaublich lebhafte Mimik. Er sah jünger aus als seine Siebzig. Vor allem jedoch war er im Besitz von Papieren, die ihm gestatteten, in diesem Teil des Roten Meeres Fischfang zu betreiben.
Er war sofort Feuer und Flamme für Leticia, die er seine »nubische Prinzessin« nannte, und sie genoss die Aufmerksamkeit. Leise erkundigte sich Fekry bei Milo, ob er mit ihr geschlafen hatte, doch Leticia hatte gute Ohren. »Er wollte nicht«, rief sie vom Bug aus, »obwohl ich es ihm angeboten habe.«
In Fekrys Gesicht breitete sich erst Fassungslosigkeit aus, dann Abscheu. Im weiteren Verlauf der Reise sprach er kein Wort mehr mit Milo.
Abermals mithilfe von Leticias Telefon erreichten sie eine Stelle, wo sie in der allgemeinen Dunkelheit Lichter aus zwei Ländern erkennen konnten. In Saudi-Arabien waren es Myriaden von Farben, im Sudan nur gelegentliche Verdichtungen von Weiß. Im Norden und Süden erspähten sie gemächlich dahinziehende Boote. Anscheinend hatte es niemand besonders eilig. Während sie warteten, wies Leticia Milo an, den Mund zu halten. »Ich will es so hindrehen, dass sie dich für meinen Chef halten. Keine Ahnung, wie sie mit einer Frau allein umspringen würden, und ich hab auch keine Lust, es rauszufinden. Wir werden Englisch reden, aber du sagst kein Wort. Ibrahim?«
Fekry hebelte eine Kiste auf und reichte Milo eine Bernardelli-Pistole. Milo prüfte die Sicherung, lud durch und schob die Waffe in die Jackentasche.
Das leuchtend rote Boot, dessen Motor die friedliche Nacht erschütterte, kam erst kurz nach halb drei, mit einiger Verspätung. Drei Männer, zwei davon in schlichten Gewändern. Der Fahrer hatte eine Kalaschnikow über den Rücken geschnallt, während ein stämmiger Kerl weiter vorn seine Kalaschnikow im Anschlag hatte und auf Fekrys Kahn zielte. Zwischen ihnen saß ein Mann in dunkelbrauner sudanesischer Robe, einer Galabija, und wartete mit gefalteten Händen, bis der Motor abgestellt war.
Alle drei waren tiefschwarz, und selbst als sie näher heranglitten, konnte Milo nur Augen und das gelegentliche Aufblitzen von Zähnen erkennen, wenn sie miteinander sprachen. Dann rief der Fahrer sie auf Englisch an: »Sie sind in sudanesischem Gewässer!« Seine Worte hallten wie Hammerschläge.
Fekry stieß etwas aus, das nach einem arabischen Fluch klang, und zog sich zur anderen Seite des Kahns zurück. Auch Milo hatte kein gutes Gefühl.
»Ich bin auf sudanesischem Sand«, antwortete Leticia – offenbar ein Erkennungscode. »Nehmen Sie die Waffen runter.«
»Sie da.« Mit langem Finger deutete der Fahrer auf Milo. »Sie haben hier nichts zu suchen.«
»Er muss überzeugt werden«, rief Leticia, »sonst läuft gar nichts.«
Der Mann in der braunen Robe neigte den Kopf und redete auf Arabisch mit seinen Leuten, bis sie sich entspannten. Dann erhob er sich mühelos, obwohl unter seinen Füßen das Motorboot schwankte, und sagte mit einer Stimme, die ganz anders klang als die des Fahrers: »Assalamu Alaikum.«
»Wa-Alaikum Assalam«, erwiderte Leticia. Milo blieb stumm.
»Bleiben wir an unseren Plätzen?« Ein
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