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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Hauch von London lag in dem Akzent des Mannes.
    »Ich rühre mich nicht von der Stelle«, sagte Leticia.
    »So sei es.« Er ließ sich wieder nieder. »Sie möchten uns helfen, die Chinesen zu vertreiben, die die Regierung unseres Feindes stützen. Ist das richtig?«
    »Ja.« Leticia beugte sich vor zum Dollbord und sprach mit leiser Stimme.
    »Ein interessanter Vorschlag. Wir haben darüber diskutiert, allerdings nur begrenzt. Unser Haupteinwand ist, dass es außerhalb unseres Landes stattfinden würde. Unser natürlicher Feind ist in Khartoum, nicht in Peking.«
    Jetzt ist die Katze also aus dem Sack , dachte Milo.
    Leticia zögerte keine Sekunde. »Peking versorgt Khartoum mit Waffen und Geld. Chinesische Berater bilden die Dschands chawid aus, die euer Volk töten. Das Waffen-Embargo der UN interessiert in Peking niemanden.«
    Der Unterhändler starrte sie nur an und wartete.
    »Ohne chinesische Unterstützung«, fuhr sie fort, »wird al-Bashir stürzen. Ein Angriff auf Khartoum würde ihm schaden, aber ihn nie vernichten. Auf diese Weise können Sie einen viel schwereren Schlag führen – ohne verheerende Folgen für das sudanesische Volk.«
    »Genau das ist der entscheidende Punkt.« Er klang ein wenig gereizt. »Das wissen wir schon alles, und deswegen reden wir mit Ihnen. Aber die Risiken sind gewaltig.«
    »Größer als das langfristige Risiko, den Krieg zu verlieren?«
    »Wir kehren bald an den Verhandlungstisch zurück.«
    »Nur ein Narr glaubt, was diese Regierung unterzeichnet.«
    Der Mann senkte den Blick auf die Hände in den Falten seiner Robe. »Bevor wir uns entscheiden, muss ich noch eine Frage stellen.«
    »Bitte.«
    »Warum haben Sie mich zu diesem Treffen mitten im Roten Meer gebeten?«
    »Das habe ich schon erklärt. Mein Verbündeter hier will das Gesicht des Mannes sehen, der an diesem Vorhaben mitwirkt. Er glaubt mehr an Gesichter als an Worte.«
    »Ist das der Grund, warum er nicht spricht?« Der Mann schaute Milo scharf an.
    »Er ist Politiker«, antwortete Leticia schnell, vielleicht zu schnell. »Er möchte im Hintergrund bleiben, und das kann er nur, wenn er nichts sagt.«
    »Ich glaube Ihnen nicht.«
    Der Fahrer und der zweite Mann hoben ihre Waffen, und Milo griff hektisch nach der Bernardelli in seiner Tasche.
    Doch auch dieser Satz war offenbar ein verabredeter Code, und Leticia antwortete mit ruhiger Stimme: »Wenn Sie mir nicht glauben, dann kehren Sie um und fahren Sie. Wir finden jemand anders, der keine Angst hat.«
    »Jemand, der dümmer ist.« Seine Bemerkung klang fast wie eine Frage. Ungefähr zehn Sekunden lang starrten sie einander an, dann zog der Unterhändler die Hand flach und mit geschlossenen Fingern aus der Robe, und die Männer senkten die Gewehre. Der Fahrer warf den Motor an, und Lärm erfüllte die Nacht. »Ma’a Salama«, rief der Unterhändler herüber, ohne die Hand erneut zu heben.
    Sie verabschiedete sich mit dem gleichen Gruß.
    Nachdem sie verschwunden waren und schaumige Wellen hinterlassen hatten, gab Milo die Pistole an Fekry zurück und setzte sich zu Leticia an den Bug.
    Sie starrte ins schwarze Wasser, dann hob sie den Blick. »Was ist?«
    »Ihr wollt die Chinesen in Panik versetzen. Ihr wollt Xin Zhu in Panik versetzen.«
    »Sieh an, der Musterschüler hat’s kapiert.« Der Witz schien ihr keine Freude zu bereiten.
    Da er sich erinnerte, dass sie sich auch in China mit militanten Islamisten getroffen hatte, hakte er nach. »Informationsüberflutung. Ihr wollt ihn von dem eigentlichen Angriff ablenken. Ein oder zwei Ablenkungsmanöver kann er ignorieren, aber bei fünf oder sechs bleibt ihm keine andere Wahl, als hinzuschauen.«
    Sie wirkte zufrieden.
    »Alans Idee?«
    »Ursprünglich ja.«
    »Möchtest du mir verraten, was der eigentliche Angriff ist?«
    »Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen.«
    »Du weißt es wirklich nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf, und auf seine Frage, ob ihr das nichts ausmachte, antwortete sie: »Ich bin froh, dass ich nicht ausrangiert wurde. Wenn es Zeit ist, werden sie mich schon einweihen.«
    »Irwin und Collingwood.«
    »Das Finanzamt.« Sie grinste. »Allerdings hab ich das Gefühl, dass es nicht klappen wird.«
    »Ob diese Leute auf den Vorschlag eingehen oder nicht, ist doch völlig egal. Hauptsache, die Chinesen wissen, dass ihr was vorhabt. Dass ihr mit Aufständischen aus Darfur redet.«
    »Klar«, meinte sie. »Aber wir haben die Situation ziemlich falsch eingeschätzt. Ich habe mit den

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