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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Hotel sind Kameras installiert.«
    »Die haben wir lahmgelegt, zumindest noch für ein paar Minuten. Wenn Sie abhauen wollen, haben Sie jetzt die Möglichkeit.«
    »So einfach ist das nicht«, antwortete er, doch seine Hände sagten ihr, dass er es sich durch den Kopf gehen ließ.
    »Letztlich sind die meisten Dinge überraschend einfach, Mr. Drummond.«
    »Alan, bitte.«
    »Näher kennenlernen können wir uns später. Im Moment haben Sie die Chance zum Verschwinden. Mir persönlich würde das in den Kram passen, denn dann bleibt den Behörden nur ein Name. Und für Sie wäre es wohl auch nicht schlecht. Wenn Sie wollen, können wir eine Entführung vortäuschen.«
    Er trat zurück, um das leere Fläschchen abzustellen, dann drehte er sich wieder zu ihr.
    Sie merkte, dass die Verbindung zwischen ihnen zu reißen drohte. »Was sind das für Leute?«
    »Es ist kompliziert.«
    »Eine Gruppe? Mehrere?«
    »Sie sind die dritte.« Er lächelte. »Hören Sie, ich kann Milos Familie schützen. Seine Frau und Tochter, meine ich. Das ist bereits geplant.«
    »Und wer schützt Ihre Familie, Mr. Drummond?«
    Sie kannte solche Unterhaltungen, bei denen zentrale Themen im Vagen blieben oder völlig ausgeklammert wurden. Zunächst hatte sie als Anwältin auf diese Weise mit Tätern geredet, um sich dem Verbrechen behutsam anzunähern, und später bei der Arbeit für ihren Vater hatte sie gelernt, Gespräche zu führen, bei denen scheinbar gar nichts gesagt wurde. Das war nichts Neues. Doch es irritierte sie, wenn praktisch inhaltsleere Sätze zu radikalen Entscheidungen führten, denn ohne Kenntnis der Details konnte sie nicht sicher sein, wozu sie Alan Drummond da eigentlich überredete. Um sein verlegenes Schweigen zu durchbrechen, sagte sie: »Einen kleinen Anhaltspunkt müssen Sie mir schon geben, damit ich Ihnen helfen kann.«
    »Warum sollten Sie mir helfen?«
    »Weil es fast vier Uhr früh ist und die Bars alle zu sind. Ich habe Zeit.«
    Drummond drehte sich langsam um und ließ den Blick durchs Zimmer wandern: eine offene Tasche, gefaltete Kleider und eine Zeitschrift – der Economist – auf dem Nachttisch. Unter der Überschrift AMERICA AT ITS BEST waren auf der Titelseite die beiden amerikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama abgebildet.
    »Ich würde alles hierlassen, außer Sie brauchen es unbedingt«, erklärte sie. »Auf diese Weise erregen Sie kein Aufsehen, wenn Sie aus dem Hotel marschieren.«
    Er nickte, dann begann er sich anzuziehen. »Haben Sie ein Auto?«
    »Mein Freund hat eins.«
    »Ich gehe allein raus, und Sie können mich woanders abholen, wo es passt. Damit meine ich eine tote Zone.«
    Sie überlegte kurz, welche Straßen in London noch nicht mit Überwachungskameras ausgestattet waren, und nannte ihm dann eine Kreuzung in Hammersmith.
    Als sie später mit Francisco in dem kalten Toyota saß und auf den Mann wartete, der nicht kam, wurde ihr klar, dass Alan Drummond schon in diesem Moment gewusst hatte, dass sie sich nicht mehr sehen würden. Er hatte sich zu schnell breitschlagen lassen. Aber die eigentliche Frage war: Warum hatte er sich überhaupt breitschlagen lassen? Sie hatte ihn nicht bedroht und es auch nicht vorgehabt. Sie wollte nur herausfinden, ob Milo dort war oder nicht. Viel später, als sie den größten Teil der Geschichte kannte, begriff sie, dass sie einfach zu einem günstigen Zeitpunkt aufgetaucht war, den Alan Drummond genutzt hatte, um seine Pläne zu ändern. Dass er seine Entscheidung so schnell getroffen hatte, bewies Mut und Geistesgegenwart.
    Sie schickte Francisco eine SMS und bat um weitere zehn Minuten Kameraausfall, dann verließ sie Drummond und durchquerte mit einem liebenswürdigen Lächeln für den müden Pagen die Lobby. Am Eingang streifte sie wieder die Kapuze über, um zurück zum Charlotte Place zu laufen.
    Als sie gerade nach rechts in die Goodge Street bog, holte Francisco sie schwer schnaufend ein. »Und?«
    »Wir fahren nach Hammersmith und warten auf ihn.«
    »Es ist nicht dein Bruder.«
    »Es ist jemand, dem mein Bruder scheißegal ist.«
    Francisco schwieg eine Weile. »Mir war mein Bruder auch immer scheißegal, aber nach seinem Tod hat sich das auf einmal geändert. Das ist das Tragische an der menschlichen Liebe.«
    Das machte er manchmal: Er benutzte eine flüchtige Bemerkung als Vorwand, um ein sentimentales Ereignis aus seiner Vergangenheit preiszugeben. Sie sah darin den Versuch, sie in eine engere Beziehung zu

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