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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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einmal hat.«
    »Was wollen Sie denn erfahren über Xin Zhu?«
    »Was hat er mit den Amerikanern angestellt? Vor allem mit der Abteilung Tourismus?«
    Auch diese Abteilung war ein Thema, über das sie sich noch nie unterhalten hatten, doch sie war sich sicher, dass er einiges darüber wusste, zumal sein Sohn dort gearbeitet hatte. Seine Antwort war ausweichend. »Die Abteilung existiert nicht mehr, Sie müssen sich also keine Sorgen machen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen, Jewgeni. Ich habe eine einfache Frage gestellt.«
    »Er hat sie ausgelöscht, Erika.«
    »Buchstäblich oder metaphorisch?«
    »Buchstäblich.«
    Zischend atmete sie ein – ihr Gefühl im April hatte sie also nicht getrogen. »Warum?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wissen Sie, wer die Vergeltungsaktion der USA leitet?«
    »Von einer Vergeltungsaktion ist mir nichts bekannt.«
    »Verschweigen Sie mir etwas, Jewgeni?«
    »Natürlich, aber nichts, was Ihnen weiterhelfen könnte.«
    »Vielleicht sollte ich das besser selbst beurteilen.«
    Am Freitag schickten Erikas Leute in New York eine Reihe von Fotos, die Milo Weaver am Vortag in Park Slope im Gespräch mit einem Unbekannten zeigten. Er hatte einen Pizzeriabesuch mit seiner Familie kurz unterbrochen, um mit dem Mann zu sprechen, und sich zwei Stunden später an derselben Stelle erneut mit ihm getroffen. Dabei überreichte er ihm einen kleinen Gegenstand, und der Unbekannte gab ihm eine Visitenkarte oder etwas Ähnliches. Der Mann war dunkelhäutig (nach Einschätzung eines Experten Nordinder, vielleicht aus Kaschmir), doch sonst wussten sie nichts über ihn. Nach dem zweiten Treffen hatte er die U-Bahn benutzt, doch niemand war auf die Idee gekommen, ihn zu beschatten.
    Am Montag las sie einen Bericht aus New York, der festhielt, dass Penelope Drummond das Wochenende bei den Weavers verbracht hatte – jemand war in ihr Apartment eingebrochen und hatte alles verwüstet, wahrscheinlich auf der Suche nach irgendetwas. Erika führte ein frustrierendes Gespräch mit einem Kontaktmann beim Zentrum für Spionageabwehr des National Clandestine Service, der sich dumm stellte, sobald sie sich dem Thema näherte, das ihr am Herzen lag. Letztlich kam sie allerdings zu der Auffassung, dass er gar nicht Theater spielte, sondern tatsächlich nicht eingeweiht war.
    Am Dienstag war sie mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, die mehr mit der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu tun hatten, und war ziemlich überrascht, als sie am nächsten Morgen vom Telefon aus dem Tiefschlaf gerissen wurde. Mittwoch, sechs Uhr früh – Mitternacht nach New Yorker Zeit.
    »Hab ich Sie aufgeweckt?«
    »Natürlich, Jewgeni.«
    »Haben Sie jemanden in New York, der Milo beobachtet?«
    Sie spielte mit dem Gedanken zu lügen, doch vermutlich war sie dafür noch zu benebelt. »Ja.«
    »Wie viele Leute?«
    »Fünf.«
    »Das könnte reichen.«
    »Sie klingen ja ganz hysterisch, Jewgeni. Alles in Ordnung?«
    »Sie müssen mir einen Gefallen tun. Wenn Sie mir helfen, erzähle ich Ihnen alles, was Sie interessiert.«
    »Alles?«
    »Alles, Erika. Ich meine es ernst.«
    Sie setzte sich im Bett auf und starrte durch einen Spalt in den Vorhängen auf eine Straßenlampe. »Es ist was passiert.«
    »Ja, aber er hat mir nicht genug erzählt.«
    »Milo?«
    »Ich brauche Hilfe für eine Überführung morgen Abend. Nein, heute Abend – Mittwoch. Zwei Personen, vielleicht drei.«
    »Mit oder ohne Einverständnis der Betroffenen?«
    »Mit – ich muss dafür nur mit ihnen reden.«
    »Dann benötige ich mehr Leute. Fünf reichen nicht. Haben Sie welche?«
    Er überlegte. »Drei kann ich noch auftreiben.«
    Sie schüttelte den Kopf, um ganz aufzuwachen, denn sie wollte auf keinen Fall eine überstürzte Entscheidung treffen. »Kann ich Sie später zurückrufen? Nach einer Tasse Kaffee?«
    »Eine sofortige Antwort wäre mir lieber.« Seine Stimme klang hart, aber die Anspannung darin war unverkennbar.
    Sie begriff, dass er emotional in die Angelegenheit verstrickt war. Gleich, worum es sich handelte, sie musste davon ausgehen, dass er die Sache nicht mit der nötigen Objektivität durchdacht hatte. Eigentlich war nur eine Antwort möglich, und eine Stimme in ihrem Kopf mahnte: Das geht dich nichts an.
    Es lag wohl an ihrer anhaltenden Benommenheit, dass sie dieser Stimme keine Beachtung schenkte. »Und Sie erzählen mir alles?«
    »Rückhaltlos.«
    »Dann mach ich es natürlich.«

3
    Worte haben die leidige Angewohnheit, die Fantasie zu beflügeln;

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