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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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guten Taten ihres Vaters eintrat, eine Schattenorganisation, die nicht einmal einen Namen hatte – wenngleich sie sie aus praktischen Gründen manchmal als Bibliothek bezeichneten –, und teilte sich die Arbeit mit ihm. Ihre Zuständigkeit lag irgendwo im Schnittpunkt zwischen den vier Sekretärinnen, den mittlerweile zweiundvierzig Agenten und Jewgeni, denn manchmal half sie ihm zu entscheiden, an wen eine bestimmte Information weitergegeben werden sollte. Diese unscharfe Aufgabenbeschreibung war seine Idee gewesen, weil sie sich in alle Aspekte der Abteilung einarbeiten und später seine Nachfolge antreten sollte. Dass sie Letzteres gar nicht wollte, spielte offenbar keine Rolle.
    An dem Montag, als in den Nachrichten über Sebastian Halls Verschwinden berichtet wurde, traf sich Alexandra mit der stellvertretenden Polizeipräsidentin Meredith Kaye in einem Pub in Hampstead. Anfang des Jahres hatte die Metropolitan Police von Jewgeni sensible Informationen über einen Schmugglerring erhalten, die die albanische Regierung nicht weitergeleitet hatte. Daher zögerte Kaye auf Alexandras Frage nach dem Vermissten hin nur kurz, ehe sie ihr erzählte, dass Gephel Marpa von Free Tibet in dem Hotel abgestiegen war, obwohl er in der Stadt wohnte.
    »Was sagt er?«, erkundigte sich Alexandra.
    »Dass er einem Streit mit seiner Frau aus dem Weg gehen wollte.«
    »Glauben Sie, dass er vorhatte, sich mit Sebastian Hall zu treffen?«
    »Vielleicht.« Kaye nippte an ihrer Cola mit Rum. »Allerdings spricht nichts dafür, dass tatsächlich eine Zusammenkunft stattgefunden hat. Dagegen spricht alles dafür, dass Sebastian Hall ein falscher Name ist.«
    »Richtig, Meredith. Der Mann heißt Alan Drummond und ist Amerikaner.«
    Die stellvertretende Polizeipräsidentin lehnte sich zurück und stemmte die Handballen gegen den Tresen. »Da bin ich froh, dass ich Ihrer Einladung zu einem Drink gefolgt bin.«
    Alexandra mimte Überraschung über den Ausfall der Hotelkamera zur Zeit von Drummonds Flucht und lauschte ein wenig beklommen der Chronik seines Weges zu Fuß und mit der U-Bahn nach Hammersmith, doch Kaye erwähnte mit keinem Wort die junge Frau im Kapuzenshirt, die das Hotel betreten hatte. Vielleicht wusste sie, dass es sich dabei um Alexandra handelte, oder die Straßenkamera hatte gerade nicht funktioniert. Das passierte gar nicht so selten. Kaye sagte nur: »Wir überprüfen Kennzeichen – vermutlich hat er ein Auto gestohlen.«
    Daraus schloss sie, dass Drummond sich an ihre Wegbeschreibung nach Hammersmith gehalten und sich dann selbstständig einen Weg aus der Stadt gesucht hatte.
    Kaye war noch nicht fertig. »Noch was Merkwürdiges. Ein anderer Hotelgast, eine Frau namens Gwendolyn Davis, ist am Freitag angekommen und am Samstagmorgen schon wieder abgereist, obwohl sie drei Übernachtungen gebucht hatte. An sich ist das nichts Besonderes, aber wir haben natürlich ihre Papiere überprüft und … wir haben nichts gefunden. Ihr amerikanischer Pass sieht echt aus, aber es gibt keine Aufzeichnungen über ihre Einreise. Und falls sie einige Zeit hier gelebt hat, gibt es keine Daten darüber, dass sie eine Wohnung gemietet oder ein Auto gefahren hat. Einfach nichts.«
    Freddy übernachtete nicht mehr bei ihr, sie sprachen nur regelmäßig miteinander, vermieden dabei allerdings sorgfältig verbindliche Zusagen. Doch als sie am Mittwoch die Stadt verließ, versprach sie ihm unvorsichtigerweise, sich nach ihrer Rückkehr bei ihm zu melden. »Wann wird das sein?«, fragte er. Sie konnte ihm keine Antwort geben.
    In einem Apartment im Londoner Stadtteil Marylebone und ab Mittwoch in einem im vierten Stock gelegenen Studio in El Raval, Barcelona (wo sie mit einem Agenten sprach, der einem baskischen Verräter Informationen abgekauft hatte) sammelte sie Erkenntnisse aus der Ermittlungsarbeit von New Scotland Yard zum Verschwinden von Sebastian Hall. Außerdem hörte sie von ihrem Vater, was ihm seine alte Sparringspartnerin Erika Schwartz anvertraut hatte.
    Am Samstagmorgen nahm sie den Expresszug nach Genf und betrat mithilfe eines Ersatzschlüssels das Apartment ihres Vaters mit Blick auf den Hafen, fünf Stockwerke über der BHI- Bank und dem Quai du Mont-Blanc. Sie verbrachte nur wenige Wochen im Jahr dort und pendelte meistens zwischen Wohnungen in London, Hongkong und Mexiko-Stadt, die der Bibliothek gehörten. Bevor sie ausging, duschte sie sich und zog sich um, dann erledigte sie noch etwas Arbeit: Sie instruierte zwei

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