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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Punkte auf dem Bildschirm, alles in Bewegung. Drei rote Punkte im Treppenhaus des Peninsula und fünf, die sich näherten. In der Lobby erteilte Shen An-ling jetzt persönlich Anordnungen, und zwei weitere rote Punkte drangen ins Treppenhaus vor.
    Erneut hatte Xu Guanzhong schlechte Nachrichten. »Er ist nicht wieder in sein Zimmer gegangen, und die anderen Korridore sind leer. Wir überprüfen jetzt die Wäschekammern.«
    »Das habt ihr noch nicht gemacht?«, fragte Shen An-ling gereizt.
    Xu Guanzhong schenkte sich die Antwort. Zhu dämmerte allmählich, dass sich Alan Drummond zwar im Hotel angemeldet, aber sein Zimmer wohl nie bezogen hatte. Aus Erfahrung wusste er, dass dieses Manöver ganz leicht durchzuführen war.
    Auf der Karte des Peninsula bewegten sich die roten Punkte durch die Korridore, und nur einer blieb im Treppenhaus zurück – der reglose He Qiang. Aus dem Lautsprecher drang das schwere Atmen von Xu Guanzhong, das plötzlich von einem lauten zweitönigen Kreischen durchbrochen wurde. »Feueralarm. Er hat den Feueralarm ausgelöst. Die Sprinkler sind angesprungen.« Geräusche, Stimmen. »Evakuierung.«
    »Sucht weiter«, befahl Zhu. Shen An-ling hatte drei Agenten im Foyer gelassen. »Passt auf die Leute in der Lobby auf.«
    Der Schrei einer Frau, und Xu Guanzhong lieferte die fast schon überflüssige Erklärung: »Jemand hat He Qiang auf der Treppe entdeckt.«
    Kurz darauf fragte Xu Guanzhong: »Wei Chi-tao?«
    Keine Antwort.
    »Wei Chi-tao, wo bist du?«
    »Er ist im vierten Stock.« Allerdings war Xin Zhu nicht entgangen, dass Wei Chi-taos Telefon genauso reglos war wie das He Qiangs.
    Dann hörte er ein dumpfes »Ahh«, als wäre mit einem Schlag die ganze Luft aus Xu Guanzhongs Lunge entwichen.
    »Xu Guanzhong«, rief Zhu. Nun bewegte sich auch Xu Guanzhongs Handy in der dritten Etage nicht mehr. »Sofort melden, Xu Guanzhong.«
    Unmittelbar darauf sprach ihn eine Stimme auf Englisch an. »Er ist unterwegs zu dir, Xin Zhu, und dann geht es dir an den Kragen.«
    »Wer ist das?«, brüllte Shen An-ling.
    Auf dem Computermonitor bewegte sich Xu Guanzhongs Handy schnell durch ein Fenster im Korridor.
    Shen An-ling rief: »Alle in den dritten Stock!«
    Die anderen Punkte im Peninsula drängten zum Treppenhaus, kamen aber nur langsam voran, weil sie gegen die Menge der Evakuierten ankämpfen mussten. Doch Zhu war klar, dass das ohnehin keine Rolle mehr spielte. Diesen Sebastian Hall würden sie nicht aufspüren. Er war ein Tourist.
    »Abbruch«, befahl Zhu mit tonloser Stimme.
    Shen An-ling wollte es nicht wahrhaben. »Was?«
    »Aktion abbrechen. Wenn er noch da ist, bringt er unsere Leute einen nach dem anderen um. Schick alle rüber ins Kowloon, vielleicht haben wir dort mehr Erfolg.«
    »Aber …«
    » Sofort , Shen An-ling.«

5
    Wie schon vorhin hatte er Mühe, irgendwelche Beobachter zu erkennen – Steingärten , wie sein Vater sie bezeichnet hätte –, doch diesmal waren es die Gefühle, die seinen Blick trübten. Sie sind in Sicherheit , jubelte eine Stimme in ihm, genau wie es auf dem Zettel in Jewgenis Tasche gestanden hatte. Als sich vor zwanzig Minuten die Tür zu Zimmer 212 öffnete, hatte seine Verwirrung einen neuen Höhepunkt erreicht, doch diese hatte sich am Ende seines Gesprächs mit Tran Hoang gelegt und mit ihr auch der größte Teil seiner Sorge. Nach dem Verlassen des Zimmers war sie in immer größeren Stücken von ihm abgefallen, und als ihm der kräftige Chinese mit dem Namen He Qiang ein neues Telefon hinhielt, fiel ihm vor Freude gleich die richtige Antwort ein: »Leck mich am Arsch!« Er nahm die Treppe hinunter in die Lobby, geblendet von dem Wissen, dass seine Familie in Sicherheit war. Fast schon an der Tür, bemerkte er seine Schwester, die ihn anstarrte. Sie saß auf einem Sofa und hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt. Bevor er durch den Ausgang schritt, bedachte er sie mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern.
    Draußen war sein Blick wieder klar genug, um zu erkennen, dass Leticia und Hector nicht mehr auf der anderen Seite der Salisbury Road warteten. Er zweifelte nicht daran, dass sie ihn finden würden, also bog er um die Ecke und schob sich durch das Gedränge auf dem Gehsteig an der Nathan Road, um an der Kreuzung mit der Middle Road das Kowloon zu betreten. Hier fiel ihm schließlich ein Mann auf, der sein Eintreten mit Sicherheit registriert hatte, auch wenn er sich keine Reaktion anmerken ließ. Dieser Verfolger konnte wichtig sein oder auch

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