Die Spinne (German Edition)
nicht, doch letzten Endes hatten alle Verfolger dieser Welt ihre Wichtigkeit verloren. Im Grunde war ihm das alles inzwischen völlig egal.
Er nahm den Aufzug hinauf in den siebten Stock und sperrte das Zimmer mit seinem Schlüssel auf. Als er die Tür hinter sich zuzog, trat Hector Garza mit entschlossenen Schritten aus dem Bad und zielte mit einer Heckler & Koch USP auf Milos Kopf. Im Gesicht des Touristen arbeitete es. »Aufs Bett«, zischte Garza.
Milo setzte sich und hob langsam die Hände. »Linke Tasche.«
Garza griff in Milos Jacke und zog die Damenwaffe heraus. Ohne dass sich seine eigene Pistole bewegte, hielt er sich die Browning an die Nase und roch daran. Aber er nahm nur Waffenöl wahr. Dann öffnete sich die Tür, und Leticia kam herein. Das eigentlich Beängstigende für Milo war nicht Garzas Pistole, sondern Leticias Gesichtsausdruck. Es war die Miene einer Touristin, die sich vollkommen von der emotionalen Wirkung dessen abgekapselt hatte, was sie tun musste. Erst jetzt wurde ihm so richtig klar, dass sein Überleben seit Beginn dieses Irrsinns von ihrer guten Laune abhing.
Sie nahm die Browning, die ihr Garza reichte, dann machte sie ein paar Schritte, um den Fernseher einzuschalten – CNN zeigte Rauch und Zerstörung durch eine Bombenexplosion an einem Ort namens Kumarikata in Indien – und drehte die Lautstärke hoch. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, setzte sie sich zu Milo aufs Bett. »Wie lange arbeitest du schon für ihn?«
Das war es also. »Heute ist der sechste Tag.«
»Du weißt, was jetzt fällig ist, oder?«
Milo schwieg. Er spannte den Beckenboden an, um sich nicht in die Hose zu machen.
»Es hätte nicht so enden müssen.«
Leticia schien eine Erwiderung zu erwarten.
Also sagte er: »Das finde ich auch.« Das entsprach der Wahrheit. Wenn sie es vor einer Stunde herausgefunden hätte, hätte er sich vielleicht sogar gefreut, denn ein stiller Tod schien zu dem Zeitpunkt die einzige echte Lösung für seine Probleme. Doch jetzt war sein Tod sinnlos geworden. »Woher weißt du es? Habe ich mich verraten?«
»Wahrscheinlich«, antwortete sie, »aber ich hab nichts gemerkt. Ich wurde angerufen.«
»Collingwood?«
»Ja.«
»Und du glaubst, sie hatte vorher keine Ahnung?«
»Was soll das heißen?«
»Weiß ich selber nicht so genau. Hat sie dir befohlen, mich zu liquidieren?«
Ihr Schweigen genügte als Antwort. Schließlich neigte sie den Kopf, um ihn zu fixieren. »Wie hat er dich rumgekriegt?«
»Na, wie wohl? Meine Familie. Genau das Gleiche wie bei Alan.«
Garza wechselte das Standbein.
Leticia zuckte leicht und wandte sich Milo voll zu. »Erzähl mir von Alan.«
»Xin Zhu hat seine Frau bedroht. Er hatte Alan seit Ende Mai unter Kontrolle.«
»Penelope Drummond wird vermisst.«
»Natürlich. Genau wie meine Frau und Tochter, doch inzwischen weiß ich, dass sie nicht bei Xin Zhu sind. Und auch nicht bei Dorothy Collingwood.«
»Wo sonst?«
»Sie sind in Sicherheit.«
Stirnrunzelnd versuchte sie, das Gehörte zu verarbeiten. »Hättest du mir das mit Xin Zhu nicht einfach sagen können?«
»Was hättest du mit dieser Information angefangen?«
»Nun, vielleicht hätte ich dir geholfen.«
»Aber ihnen nicht. Ihnen hättest du nicht geholfen.«
Sie zog die Augen fast zu Schlitzen zusammen. »Alan sagt also, dass sie in Sicherheit sind?«
»In dem Hotelzimmer ist nicht Alan, sondern Tran Hoang.«
Erstaunlicherweise ließ Hector Garza die Waffe sinken. »Tran Hoang ist tot.«
Leticia rieb sich übers Gesicht. Anscheinend war sie dabei, das Puzzle zusammenzusetzen. Milos Überleben hing auch von ihrer Intelligenz ab. »Nein, Hector. Man hat uns nur gesagt , dass er tot ist.«
»Wer?«, fragte Milo.
»Collingwood«, antwortete Garza und sah Leticia an. »Spielt das eine Rolle?«
Sie machte ein grimmiges Gesicht. »Lass mich kurz nachdenken. Vielleicht spielt es tatsächlich eine Rolle.« Dann fragte sie Milo: »Was erzählt Tran Hoang?«
Tran Hoang hatte viel erzählt, aber Milo erwähnte nur das, was ihm am dringendsten erschien. »Er sagt, wir sollen abhauen. Die Chinesen können jederzeit anrücken.«
»Natürlich sagt er das.«
»Er ist nur ein Ablenkungsmanöver. Inzwischen sollte Alan drin sein.«
»Wo drin?«
»Im chinesischen Festland. Hoang bricht auch gleich auf.«
Leticia schloss die Augen und stieß einen leisen Fluch aus. Dann öffnete sie sie und wandte sich an Garza. »Unten in der Lobby war jemand.«
»Den hab ich auch gesehen«,
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