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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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International Airport in Washington zu erreichen. Nach zwei Nächten im One Washington Circle Hotel fuhr sie am Montag, den 12. – dem Tag des Erdbebens – zu einem Haus im Ortsteil Georgetown, das einer Immobilienfirma namens Living Inc. gehörte, und traf sich dort mit vier Leuten:
    Alan Drummond , ehemaliger Leiter der Abteilung Tourismus;
    Nathan Irwin , republikanischer Senator von Minnesota;
    Dorothy Collingwood , hochrangige Beamtin des zur CIA gehörigen National Clandestine Service, Abteilung unbekannt; und
    Stuart Jackson , pensionierter CIA -Beamter vom Directorate of Operations (das 2005 im National Clandestine Service aufging), inzwischen selbstständiger Berater
    Das Treffen dauerte fast sieben Stunden, und das Mittagessen wurde von einem Assistenten Dorothy Collingwoods gebracht. Shen An-lings Agenten konnten nichts von den Gesprächen mithören. Schließlich verließen sie in zwanzigminütigen Abständen nacheinander das Haus: zuerst Senator Irwin, dann Jackson, Collingwood, Jones und schließlich Alan Drummond – mit neununddreißig Jahren der jüngste der Rädelsführer –, der zwei Blocks weit ging und dann ein Taxi zur Union Station nahm, wo er in einen Zug nach Manhattan stieg, um nach Hause zu seiner Wohnung in der 200 East Eighty-ninth Street zu fahren.
    Shen An-lings Einschätzung am Ende der Mitteilung war so unkompliziert und sachlich wie der Mann selbst: Es muss sofort etwas unternommen werden. Ich erwarte deine Anweisungen. Diese Art von Loyalität konnte man nicht kaufen – nicht mehr zumindest.

4
    Eine Viertelstunde vor dem Treffen stieg Xin Zhu die Treppe zur Großen Halle des Volkes hinauf. Vor ihm ragten zwölf riesige Säulen auf, und an einem der Eingänge bemerkte er eine Schlange von Schulkindern mit Sonnenschutzkappen. Sechs von ihnen trugen zusätzlich Gesichtsmasken gegen den vom Wetterbericht angekündigten starken Sandsturm. An der Hauptpforte standen grün gekleidete Soldaten und beobachteten, wie er eintrat.
    Schwer schnaufend wartete er, bis er in der marmornen Vorhalle war, um sich mit einem Taschentuch den Schweiß von den Wangen zu wischen.
    »Xin Zhu!« Es war Shen An-ling, der Mann mit der schlaffen Haut und der dicken Brille, die seine verschwollenen Augen vergrößerte. Im Gegensatz zu Zhu trug Shen An-ling eine mit überquellenden Mappen vollgestopfte Schultertasche.
    »Was hast du da?«, fragte Zhu.
    »Die Hintergrundinformationen. Wenn du ihnen das vorlegst, rücken sie dir nicht mehr auf die Pelle.«
    »Zumindest so lange, wie sie mit Lesen beschäftigt sind. Wie viele Seiten?«
    Auch Shen An-ling lief der Schweiß übers Gesicht, doch bei ihm war die Ursache Angst; das konnte man riechen. »Keine Ahnung. Tausend vielleicht?«
    »Mehr wahrscheinlich. Ich weiß nicht, ob es was bringt, wenn sie sich das alles ansehen.«
    »Gut«, antwortete Shen An-ling. »Aber ich nehme es trotzdem mit, falls du es dir anders überlegst.«
    Ein vernünftiger Vorschlag, den Zhu akzeptierte. »Wo müssen wir uns unserem Verhängnis stellen?«
    Die Peking-Halle lag nicht weit entfernt an einem langen Korridor mit Basreliefs aus glorreichen Zeiten, die entweder geschichtliche Ereignisse zeigten, die Zhu nicht miterlebt hatte, oder Zukunftshoffnungen darstellten. Vor dem Saal stand ein Wachposten, der aber nicht ihre Ausweise überprüfte. Drinnen bildeten vierzehn Polsterstühle ein Halboval, sodass sich die beiden Enden gegenüberstanden. Dahinter befanden sich wie eine Art Klammer acht weitere Holzstühle. Auf dem Boden lagen dicke Teppiche, die vom morgendlichen Staubsauger in diese und jene Richtung geschoben worden waren, und die Wände waren zwar sorgfältig gereinigt worden, doch die grüne Farbe war an einigen Stellen verblasst. Da musste sich jemand auf Ärger gefasst machen.
    Sun Bingjun saß bereits auf einem Stuhl auf der linken Seite. Das war eine Überraschung. Normalerweise kam der gebrechliche, dürre alte Mann, dessen Alkoholsucht allgemein bekannt war, zu spät zu Besprechungen – wenn er überhaupt erschien. Zhu trat auf ihn zu, und sie schüttelten sich die Hände.
    »Wie war es in Shanghai?« Sun Bingjuns rotes Gesicht machte einen hilflosen Eindruck.
    »Meine Geheimnisse sprechen sich anscheinend schnell herum.«
    Sun Bingjun lächelte. Wenn man ihn so sah, konnte man leicht vergessen, dass er ein Generalleutnant, ein hochdekorierter Vietnamveteran und ein Held der Kulturrevolution war. Die Jahre und die Laster hatten ihm zugesetzt, doch seine illustre

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