Die Spinne (German Edition)
Sie.«
Leuchtend vor Stolz setzte sich Yang Qing-Nian in seinem Stuhl auf. Offenbar hatte er wirklich etwas. »Genossen.« Er leckte sich die Lippen. »Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit hat Kenntnis davon erhalten, dass ein früheres Mitglied der Abteilung Tourismus – die Xin Zhu praktisch vernichtet hat –, vor zwei Wochen auf chinesischem Boden war. Sie hat Verbindung zu einer amerikanischen Botschaftsangestellten aufgenommen, die inzwischen in die USA zurückgekehrt ist. Diese Botschaftsangestellte hat einen Dritten angestiftet, Erkundigungen über Xin Zhus Privatleben einzuziehen. Genauer gesagt über seine Frau Sung Hui.«
Damit war die Bombe geplatzt, und Xin Zhu las das Unheil in ihren Gesichtern. Sun Bingjun rieb sich die müden Augen. Feng Yi drehte sich mit dem ganzen Oberkörper zu Yang Qing-Nian um. Und Zhang Guo, der noch erschöpfter wirkte als vorhin, starrte Zhu scharf an. Sein Blick sprach Bände: Jetzt bist du auf dich selbst gestellt.
Wu Liang blieb natürlich ganz gelassen. Er und Yang Qing-Nian hatten garantiert das ganze Wochenende an ihrem Plan gefeilt. Hatten sie Dongfan Beisan vernommen? Wussten sie, dass Zhu ihn bereits im Blim-Blam aufgesucht hatte?
Yang Qing-Nian griff in seine eigene Ledertasche und förderte eine Mappe zutage. »Hier ist das Dossier. Den echten Namen der amerikanischen Agentin kennen wir zwar nicht, dafür aber zwei andere. Den alten Decknamen Leticia Jones haben wir in Akten gefunden, die Xin Zhu freigegeben hat, bevor er uns den Informationshahn zugedreht hat. Der Pass, mit dem sie eingereist ist, war sudanesisch und lautete auf den Namen Rosa Munu. Abgesehen von ihren Nachforschungen über Xin Zhus Leben hat sie sich auch einmal mit Abdul Khalik getroffen, einem bekannten Führer der Islamischen Partei Ostturkestans, die danach strebt, die Provinz Xinjiang in einen islamischen Sumpf zu verwandeln und alle chinesischen Bürger zu köpfen, die ihren Gott ablehnen.«
Diese Neuigkeit traf Zhu wie ein Faustschlag in den Magen und drohte das liebevoll von Sung Hui für ihn zubereitete Frühstück aus Weizennudeln und Schweinefleisch in Zement zu verwandeln. Hinter ihm lastete das schwere Schweigen von Shen An-ling. Er machte sich Sorgen, dass der junge Mann vielleicht ohnmächtig geworden war, doch in diesem Augenblick wäre es nicht angemessen gewesen, sich nach ihm umzudrehen.
Der alte Sun Bingjun ergriff als Erster das Wort. »Wollen Sie damit andeuten, Yang Qing-Nian, dass die USA jetzt die Islamisierung von Westchina unterstützen, weil Xin Zhu ein paar von ihren Leuten getötet hat?« Er drückte die Handflächen aneinander. »Das kommt mir ausgesprochen irrsinnig vor.«
Nun schaltete sich Feng Yi ein, der ewige Moderator. »Ich verstehe, was Sie meinen, Sun Bingjun, und es leuchtet mir auch ein. Doch wir reden hier nicht über die Regierung der Vereinigten Staaten, sondern über die Central Intelligence Agency, für die irrsinniges Verhalten in der Vergangenheit durchaus nichts Ungewöhnliches war. Außerdem geht es wahrscheinlich nicht einmal um die gesamte CIA , sondern um eine einzige kleine Abteilung, die möglicherweise darauf aus ist, ihr Gesicht zu wahren.«
»Eine Abteilung, die durch Xin Zhus Handeln aufgelöst wurde«, gab Sun Bingjun zu bedenken. »Sie existiert nicht mehr und erhält keine Gelder.«
Wu Liang meldete sich zu Wort. »Aus Xin Zhus Dokumenten geht hervor, dass die Abteilung Tourismus in ihrer langen Geschichte immer in der Lage war, Finanzmittel zu erschließen, wenn die Zahlmeister aus Langley den Geldhahn zugedreht haben. Erst vor zwei Monaten hat sie eine Kunstgalerie in Zürich ausgeraubt, um die Kosten für ihr schändliches Tun zu bestreiten.« Er hielt inne. »Eine Abteilung existiert, sobald und solange sich ihre Mitglieder darüber einig sind, dass sie existiert. Eine Abteilung, die imstande ist, sich zu finanzieren, kann praktisch für immer existieren.«
Die Köpfe wandten sich um – nicht nach Zhu, sondern nach Guo, der auf seine Knie starrte. Nach allgemeinem Konsens besaß Zhang Guo in Finanzierungsfragen die größte Kompetenz in der Runde. Obwohl er den Blick nicht hob, wusste er, was das Schweigen bedeutete. Schließlich fasste er zitternd nach der Teetasse. »Wu Liang hat recht. Ein Beispiel ist ein Mann, den wir alle kennen: Jewgeni Primakow von den Vereinten Nationen. Er hat es nicht nur geschafft, innerhalb der UN einen geheimen Nachrichtendienst ohne offizielles Budget zu betreiben, sondern er
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