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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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mitzuteilen, was ich erfahren hatte. Ich dachte, dass wir als gute Genossen zusammenarbeiten können. Wie ich inzwischen weiß, war das ein Irrtum.«
    Zhu erinnerte sich noch gut an diesen Besuch. Mittwoch, der 23. April, 14.00 Uhr. Wu Liang und ein abgebrüht wirkender Sekretär füllten das Büro mit stinkendem russischem Zigarettenrauch und gingen Zeile für Zeile seine zwölf Seiten durch. Sie zogen die Richtigkeit jedes einzelnen Punktes in Zweifel und verlangten nach den Beweisen für Zhus Verdacht gegen das Ministerium für Öffentliche Sicherheit.
    »Nachdem ich stundenlang systematisch alles mit Xin Zhu durchgegangen war und mir seine Erklärungen angehört hatte, kristallisierte sich eine Tatsache heraus. Jeder dieser Punkte – und es sind insgesamt hundertdreizehn – ist einfach nur das: ein Punkt auf einem Blatt Papier. Jeder dieser Punkte geht zurück auf eine Information, die sein Agent, der amerikanische Senatorenberater James Pearson, gesammelt hat. Jeden Punkt kann er entweder mit einem E-Mail-Bericht samt Anhängen oder einem handschriftlichen Bericht und gelegentlich einem USB -Stick belegen – alles von James Pearson. Aber wo, so fragte ich mich nach einiger Zeit, ist diese goldene Quelle abgeblieben? Die Antwort kennen wir. Er wurde von der CIA verhaftet, als er aus den USA fliehen wollte. Er steht nicht mehr zur Verfü gung. Und der Ort, wo James Pearson diese sogenannten Wahrheiten entdeckt hat? Natürlich das Büro der Abteilung Tourismus an der West Thirty-first Street in Manhattan. Die Abteilung, die Xin Zhu so überstürzt vernichtet hat und deren Büro inzwischen von der CIA ausgeräumt wurde. Ich habe Fotos von diesem Büro, wenn jemand von Ihnen das nachprüfen will.«
    Er hatte lange geredet, aber reden war schon immer Wu Liangs Stärke gewesen. Er jonglierte mit den Fakten und drehte sie so hin, dass sie seine Bescheidenheit und Gelehrtheit unterstrichen. Mit so einem Mundwerk und einer Frau wie Chu Liawa waren seinem Ehrgeiz keinerlei Grenzen gesetzt.
    Doch er war noch nicht fertig. »Wie gesagt, als ich Xin Zhus Büro betrat, war ich von seiner Ehrlichkeit überzeugt und bereit, unser Ministerium wieder sicher zu machen. Ich kam zerknirscht, doch als ich ging, war ich verärgert. Wütend sogar. In den vergangenen Tagen hatte ich treue Genossen einem strengen Verhör unterzogen, und alles nur, wie sich jetzt herausstellte, weil ich auf ein egoistisches Täuschungsmanöver hereingefallen war. Doch mein Zorn hatte noch nicht seinen Höhepunkt erreicht, denn bei meiner Rückkehr in die East Chang’an Avenue musste ich erfahren, das Bo Gaoli tot war, dessen kompetente Arbeit in der Abteilung Terrorismusabwehr einigen von Ihnen wohl bekannt ist. Konfrontiert mit der Schande dieses unbegründeten Verdachts, hat er sich in seiner Zelle mit dem Gürtel aufgehängt.«
    Wu Liang schwieg, um seine Worte wirken zu lassen. Der Ausschuss wusste von Bo Gaolis Selbstmord, doch die genauen Einzelheiten waren nie bekannt gegeben worden. Gerüchte hatten sich um sexuelle Neigungen und um finanzielle Unbesonnenheiten gerankt. Niemand – und Zhu ganz bestimmt nicht – hatte erfahren, dass er sich in einer Zelle des Ministeriums das Leben genommen hatte.
    Jetzt, nachdem Wu Liang dieses Geheimnis gelüftet hatte, wandten sich alle um, um Zhus Reaktion zu sehen. Er tat sein Bestes, um sich zu beherrschen. Doch er war sich nicht sicher, ob es ihm gelang. Er dachte daran, später Shen An-ling zu fragen, allerdings konnte sein Assistent nur seinen Hinterkopf sehen.
    Xin Zhu wartete darauf, dass jemand die naheliegende und zwangsläufige Frage stellte: War Bo Gaolis Selbstmord möglicherweise ein Schuldeingeständnis? Er selbst konnte diese Frage nicht stellen – das musste jemand anders übernehmen, vielleicht Zhang Guo. Doch niemand traf Anstalten dazu, und Zhang Guo erstickte nur mit der gewölbten Hand ein Gähnen.
    Da sich anscheinend niemand äußern wollte, ergriff Zhu schließlich das Wort. »Selbstverständlich bedaure ich Bo Gaolis Tod, doch das ändert nichts an meiner Auslegung der Tatsachen. Die in meinem Bericht aufgelisteten Erkenntnisse haben ihren Ursprung in der Abteilung Tourismus, daher kann ich nur zu dem Schluss gelangen, dass ihre Quelle im Ministerium für Öffentliche Sicherheit sitzt.«
    Wu Liang seufzte hörbar. »Das ist, als würde man das Haus eines Mannes niederbrennen und ihm dann vorwerfen, illegale Waren darin aufzubewahren. Sie haben das Haus der Touristen

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