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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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dass er nicht einmal auf diese Schlussfolgerung bauen konnte. Ein Company-Agent konnte sich als Heimatschutzbeamter ausgeben, oder der Militärnachrichtendienst NSA ging Hinweisen nach, die er der CIA nicht anvertrauen wollte. Selbst das FBI konnte hinter Chaudhury stecken und sich als Heimatschutz ausgeben, um Spuren zu verwischen.
    Und was war mit England? Schließlich stammte Alans letztes Lebenszeichen aus London, und der MI5 interessierte sich bestimmt dafür, warum ein ehemaliger CIA -Agent ausgerechnet im Zuständigkeitsbereich des britischen Geheimdienstes verschwunden war. Wenn sich die Company bedeckt hielt, dann konnte es gut sein, dass der MI5 jemanden herschickte oder den MI6 darum bat.
    Nachdem er diese Möglichkeit erwogen hatte, fielen ihm auch noch die Deutschen ein, die schon einmal nach Sebastian Hall gesucht hatten. Die rührige Erika Schwartz vom BND hatte schon vor Monaten herausgefunden, dass Hall in Wirklichkeit Weaver war, und sicher aufgehorcht, als er plötzlich in London wieder auftauchte. Und Drummond, so fiel ihm jetzt ein, hatte doch am Telefon Deutsch gesprochen …
    Solange er nicht genau wusste, woran Alan gearbeitet hatte, konnte er auch nicht abschätzen, welche Länder er dieser Liste möglicherweise noch hinzufügen musste. Wenn er sich unter diesen Voraussetzungen den Kopf darüber zerbrach, für wen Chaudhury arbeitete, steigerte das nur seine Verwirrung.
    Wegen der wöchentlichen Einladungen zum Abendessen erkannte der Pförtner des Hochhauses an der 200 East Eighty-ninth Street Milos Gesicht. Er tippte sich an den Schirm seiner Mütze und ließ Milo ein. »Tut mir leid, Sir, aber die Drummonds sind nicht da.«
    Milo hielt den Schlüssel hoch. »Ich weiß. Ich soll was für Mrs. Drummond abholen.«
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Wahrscheinlich nicht, aber trotzdem danke. Wenn ich was brauche, sag ich Bescheid.«
    Er nahm den Aufzug zum sechzehnten Stock und stoppte dann in dem mit Teppichboden ausgelegten Korridor, weil er erst den richtigen der zehn Schlüssel finden musste, die Penelope überallhin mitschleppte. Schon beim dritten Versuch klappte es, und er schlüpfte hinein.
    Die Wohnung war riesig, bestimmt dreimal so groß wie sein Apartment, und in einem vagen Retrostil eingerichtet, den Milo von Anfang an bewundert hatte. Er trat in die offene Küche und schenkte sich ein Glas schales Tonicwater ein. Dann stapfte er vorbei an dem Bauhaussofa zum Büro, einem mit viel Leder möblierten Raum mit einem alten, klobigen Dell-Computer unter dem Eichenschreibtisch.
    Als Erstes fiel ihm auf, dass das Strom- und das Ethernetkabel des Computers ausgesteckt waren. Eine denkbar einfache Sicherheitsmaßnahme. Wenn keine Verbindung zum Internet bestand, konnte ihn auch niemand hacken, ohne zuvor in die Wohnung einzubrechen. Und ohne Elektrizität war wohl auch bei Penelope die Versuchung geringer, das Gerät zu benutzen. Er steckte alles ein, und während der PC hochfuhr, überflog er kurz das nächstgelegene Wandregal. Geschichtsbücher mit den Schwerpunkten Militär, Politik und Kultur. Amerikanische Außenpolitik. Napoleonische Kriegstaktik. Sowjetischer Expansionismus. Die Finanzierung des islamistischen Terrorismus. Mehrere Hundert Titel, sorgfältig nach Autoren geordnet. Auf dem untersten Bord gab es Designbände, die wegen ihrer Größe waagrecht lagerten.
    Das Büro war erstaunlich aufgeräumt – vielleicht das Büro eines Arbeitslosen. An der gegenüberliegenden Wand hingen gerahmte Bilder. Alte Fotos, körnig, zum Teil eingerissen und zusammengeklebt, von Bostoner Prominenten, die bis in die 1920er-Jahre zurückreichten. Dazwischen Nahaufnahmen in Schwarz-Weiß von Blättern, Früchten und Grabsteinen. Milo erinnerte sich, dass Penelope Hobbyfotografin war. In der Ecke stand ein eleganter Barschrank voller Flaschen. Milo schlug jäh alle Bedenken in den Wind und schenkte sich einen Schuss Wodka in sein Tonicwater.
    Als der Computer ein Passwort verlangte, tippte er 1ntrep1d, und die Festplatte setzte sich surrend und klackend in Bewegung. Er öffnete die Schreibtischschubladen, fand aber nur Stifte, einen Brieföffner aus Edelstahl, ein paar leere Post-it-Blöcke und eine Packung Druckpapier. Der Computer wurde still, und auf dem Bildschirm erschien eine leere blaue Arbeitsfläche. Er öffnete das Laufwerk C, stieß jedoch nur auf System-Ordner und einige Grundanwendungen. Entweder hatte Drummond vor seiner Abreise den Computer gesäubert, oder alles war zwar

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