Die Spinne (German Edition)
reinkommen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stakste sie an Tina vorbei ins Wohnzimmer. Als sie Milo sah, sagte sie »Hi« und ließ sich auf die Couch sacken. Dann atmete sie geräuschvoll durch. »Ich hab keine anderen Freunde, mit denen ich darüber reden kann.«
Doch zuerst redete sie gar nicht. Sie warf nur die Handtasche auf den Boden und legte die Füße in den schmutzigen Stöckelschuhen auf ein Kissen.
»Dieses Viertel gefällt mir«, erzählte sie der Deckenlampe. »Ein Stück weiter vorn an der Straße ist eine tolle Bar. Den Namen hab ich vergessen. Kennt ihr die?«
»Ja, die ist klasse.« Milo steuerte auf einen Sessel zu.
Penelope blieb auf die Lampe fixiert. »Ich könnte unsere Wohnung verkaufen und mir hier was suchen. Wie viel würde ein Zweizimmerapartment kosten?«
»Viel.«
»Das müsste ich für unsere schon kriegen.«
»Weißt du«, sagte Milo, »es könnte auch sein, dass es ihm gut geht.«
»Ja, vielleicht. Aber er würde nicht zu mir zurückkommen. Ich hab ihn doch rausgeworfen.«
»Er hat mir gesagt, dass er das in Ordnung bringen will.«
»Das hast du schon mal erwähnt.«
In der folgenden Stille holte Tina frische Gläser und schenkte allen Wein ein, ohne daran zu denken, dass Milo keinen Alkohol trinken durfte.
Penelope stellte ihr Glas neben ihre Handtasche auf den Boden. »Milo, ich hab ganz vergessen zu fragen, warum.«
»Warum?«
»Warum hat jemand meinen Mann aus einem Hotelzimmer in London entführt?«
»Wenn wir rausfinden, wer es war, kennen wir auch den Grund. Und umgekehrt.«
»Das waren die Chinesen, stimmt’s?«
»Vielleicht. Niemand weiß es.«
Langsam setzte sie sich auf. Sie wirkte benommen. »Die gelbe Gefahr. Ist das jetzt rassistisch, Tina?«
Tina schenkte sich die Antwort.
Erfolglos versuchte Penelope, ihren unsteten Blick auf Milo zu richten. »Fliegst du nach London?«
Milo schüttelte den Kopf. »Daran arbeiten schon bessere Leute.«
»Alan hat gesagt, du bist der Beste.«
Das klang überhaupt nicht nach Alan Drummond. »Da hat er übertrieben.«
Penelope kaute an der Unterlippe, dann schaute sie Tina an, als hätte sie sie gerade erst bemerkt. Nach einem dünnen Lächeln wandte sie sich wieder an Milo. »Du hast doch eine Vorstellung von der ganzen Geschichte. Das seh ich dir an, auch wenn ich sonst nicht mehr viel mitkriege.«
»Vielleicht«, räumte er ein, weil er eine kleine Chance witterte. Sie hatte den ersten Schock überwunden, und sie war beschwipst. »Und du kannst vielleicht helfen.«
»Ich?«
»Er hat doch an was gearbeitet. Erzähl mir alles, was du darüber weißt.«
Wieder blickte sie Tina an, als wollte sie sie um Beistand bitten, doch Tina blieb abwartend in ihrer Couchecke sitzen. Schließlich fragte Penelope: »Willst du nicht rauf aufs Dach?«
»Wenn die Company mithört, dann muss ich es später wenigstens nicht wiederholen.«
»Und die Chinesen? Was ist, wenn die Chinesen mithören?«
Als er nicht sofort antwortete, sprang Tina für ihn ein. »Paradoxerweise macht sich Milo nur wegen der CIA Sorgen.«
Penelope nickte. »Na ja, Tina hab ich es ja schon erzählt – hier in diesem Zimmer. Also habt ihr es wahrscheinlich bereits gehört. « Den letzten Satz richtete sie mit verschwörerischem Grinsen an die Wände. Dann seufzte sie. »Alan wollte mir nichts verraten – alles geheim. Er war besessen, das weiß ich. Er hat viel telefoniert und am Schreibtisch gearbeitet.«
»Über den Festnetzanschluss?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mit einem Handy.«
»Kann ich mir seinen Computer ansehen?«
»Ich geb dir die Schlüssel, dann kannst du ihn sofort holen. Das Passwort ist intrepid. Bloß mit Einsen statt den I.«
»Aber von den Telefongesprächen hast du nichts mitbekommen?«
»Nur einmal. Da hat er Deutsch geredet. Ich kann kein Deutsch, das weiß er.«
Milo wartete.
»Außerdem ist er nach Washington gefahren. Tagesreisen.«
»Oft?«
»Sicher weiß ich es nur von einem Mal. Aber er hat es mir verheimlicht. Wenn ich also eine gebrauchte Zugfahrkarte entdeckt habe, waren es bestimmt mehr. Und Mitte April war er mal drei oder vier Tage weg. Wo, wollte er mir nicht verraten.«
»Sonst hast du nichts gehört von seinen Anrufen?«
»Er hat immer darauf geachtet, seine Bürotür zuzumachen. Bloß einmal hatte er Besuch.«
»Wann?«
»Anfang des Monats?« Zweifelnd schüttelte sie den Kopf, doch dann nickte sie. »Ja, an einem Mittwoch. Ich war einkaufen, aber unser üblicher Laden hatte geschlossen –
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