Die Spinne (German Edition)
abgesehen davon, dass ihre Abteilung gar nicht mehr existierte. »Alan hat die Sache überhaupt nicht geleitet, oder? Du vielleicht?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie weidete sich an seiner Ratlosigkeit.
»Wer?«
»Dabei oder nicht?«
»Nicht dabei. Auf keinen Fall.«
Sie zuckte die Achseln, als hätte sie schon damit gerechnet, und aß ihre zweite Olive.
»Alan hat angedeutet, dass er noch Company-Kontakte hat. Heißt das, es ist eine richtige Operation?«
»Diese Informationen kriegst du nur, wenn du dabei bist und wir bei Bedarf auf dich zurückkommen können. Wenn nicht, dann nicht.«
»Er hat meinen Decknamen benutzt. Da habe ich wohl ein Recht auf ein paar Antworten.«
Den Blick auf die Lache in ihrem Glas gerichtet, dachte sie über seine Worte nach. Dann seufzte sie erneut. »Du weißt doch längst, warum er es getan hat.«
»Weil er mich zum Mitmachen zwingen wollte. Ziemlich abgebrühter Schachzug.«
»Ihm ist einfach klar, dass du Feuer unterm Arsch brauchst, um in die Gänge zu kommen.«
Milo merkte, wie ihm die gute Laune verging. »Er verwendet einen Namen, der auf der Fahndungsliste von Interpol steht, einen Namen, den sowohl die Deutschen als auch die Chinesen zu mir zurückverfolgen können. Damit bringt er meine Familie in Gefahr!«
»Du und deine verdammte Familie, Milo. Deine Frau und deine Tochter sind diesem Chinesen doch völlig egal. Deswegen hast schließlich du den Bauchschuss abgekriegt, und nicht sie.«
Milo rieb sich übers Gesicht. Tatsache war, dass die zurückliegenden Ereignisse – die ausgeklügelte Operation zur Liquidierung von dreiunddreißig Agenten in aller Welt – durch den Mord an Xin Zhus einzigem Sohn ausgelöst worden waren, für den die Abteilung Tourismus nur sehr indirekt verantwortlich war. In der Tat sollte sich Xin Zhu eigentlich nicht für Milos Familie interessieren – doch er hatte schon längst bewiesen, wie unberechenbar er war.
All das betraf Leticia nicht. Obwohl sie ihren Titel verloren hatte, handelte sie noch immer wie eine Touristin. Vermutlich würde sie bis an ihr Lebensende so denken – das angesichts ihrer momentanen Ausrichtung jederzeit eintreten konnte.
Er klappte seine Brieftasche auf und legte drei Zehndollarscheine auf den Tisch. »Schön, dich mal wieder getroffen zu haben, Leticia.«
Sie beobachtete, wie er aufstand und nach seiner Baklavaschachtel griff. »Du weißt ja, wie du mich erreichst.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Bar.
Als er vor dem Feriencamp Friendship wartete, fühlte er den Martini in seinen Eingeweiden arbeiten und grübelte darüber nach, was er in der Underbar erfahren und nicht erfahren hatte.
Gabi löste sich aus einer Gruppe von Kinderbetreuerinnen und kam herüber. »Hallo.«
»Hallo, Gabi.«
Sie wirkte aufgekratzt. »Ich bin echt stolz auf mich. Einen ganzen Tag habe ich gebraucht, bis ich die Eltern so weit hatte, die Gofen in ein Ferienlager zu geben. Ich weiß nicht, ob ich es sonst den ganzen Sommer mit ihnen ausgehalten hätte.«
Er lächelte zur Antwort.
Sie deutete auf die Betreuerinnen, mit denen sie sich unterhalten hatte: »Malaysierin, Französin, Rumänin. Hätte nie gedacht, dass ich mal an einem Ort bin, wo es so international zugeht. Heute habe ich Sachen zum Reinigen bei einer Griechin abgeholt, bei einem Vietnamesen eingekauft, Rechnungen bei einem indischen Angestellten bezahlt, und gerade bin ich von einem chinesischen Vater angequasselt worden.«
»Angequasselt?«
»Ja.« Sie drehte sich um und ließ den Blick über die Leute auf dem Gehsteig wandern. »Oder es war doch kein Vater, vielleicht wollte er bloß … du weißt schon.«
Auch Milo hielt nun Ausschau nach einem Chinesen, der sich als Vater ausgegeben hatte, und versuchte, sich einzureden, dass er sich deswegen keine Sorgen machen musste. Die Vorstellung, dass sich der für seinen gewaltigen Körperumfang berühmte Xin Zhu in Brooklyn herumtrieb, war einfach völlig absurd.
Beim Abendessen beklagte sich Tina, dass Penelope seit ihrer Rückkehr nach Hause nicht mehr ans Telefon ging. »War ich zu du-weißt-schon-was zu ihr?«
»Aber ich weiß es nicht«, warf Stephanie ein, deren Augenlider inzwischen nur noch violett waren.
»Du warst ganz normal«, stellte Milo fest.
»Ich hab gesagt, ich weiß es nicht.«
Ohne Leticia Jones zu erwähnen, erzählte er Tina später im Bett, dass er weitere Informationen bekommen hatte, die ihn in seiner Überzeugung bestärkten, dass Alan nicht nur einen hirnrissigen
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