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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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der dir bekannt ist?«
    Sie blinzelte ihn langsam an; vielleicht zum ersten Mal fiel ihm auf, wie groß ihre Augen waren. »Ungefähr eineinhalb Wochen nach dem Massaker kam er zu mir – ein paar Tage vor deiner Schussverletzung. Er hatte noch nicht alles zusammen, wollte ein paar Ideen mit mir durchspielen und sehen, ob ich was ergänzen kann.«
    »Er wollte Rache.«
    » Was er wollte, wusste er gar nicht so genau. Noch nicht. Dann bist du angeschossen worden, und er hat sich Vorwürfe gemacht. Danach wurde er in Langley zusammengestaucht und rausgeschmissen. Später hat er angefangen, sich mit seiner Frau zu streiten. Verstehst du? Dieser Chinese hat praktisch sein Leben abgewürgt. Nicht nur die Abteilung Tourismus, sondern auch den ganzen Rest. Also ja, er wollte Rache. Wäre das bei dir nicht so?«
    »Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was ich will, und dem, was ich tue.«
    »Das musst du mir nicht erklären.« Unter dem Tisch streichelte sie mit einem Fingernagel sein Knie.
    Er zog das Bein weg. »Weiter.«
    »Du solltest dich entspannen.«
    »Erzähl mir einfach, was Sache ist.«
    Achselzuckend lehnte sie sich zurück. »In der zweiten Aprilwoche ruft er mich an. Hatte ein paar Neuigkeiten erfahren. Erstens: Xin Zhu hat letzten Sommer geheiratet. Zweitens: Was er mit uns gemacht hat, war von Peking überhaupt nicht abgesegnet. Drittens: Xin Zhu steht am Rand des Rauswurfs. Er ist geschwächt , meint Alan. So angreifbar wird er nie mehr sein. «
    Sie nahm einen Schluck, und Milo wartete.
    »Du kennst mich, ich bin kein Genie. Ich hab’s nicht kapiert. Der Mann ist also geschwächt – na und? Also erklärt Alan mir es, geduldig wie einem Kind. Dass wir dank dieser Information wissen, was in Xin Zhus Kopf vorgeht. Und sobald man die Obsessionen der Leute kennt, weiß man, wie sie handeln werden.«
    »Er dachte, das reicht als Ansatz?«
    »Es war immerhin etwas.«
    »Alan wollte also eine ganze Operation gegen ihn führen mit … womit? Ein paar Touristen? Du und wer noch? Zachary Klein ist nicht mehr dabei, wie ich höre. José Santiago? Er oder jemand, der ihm ähnelt, hat sich mit Alan getroffen, bevor er verschwunden ist.«
    Leticia blinzelte erneut, aber langsamer. »Tran Hoang ist auch dazugestoßen.«
    »Alan hatte also drei Leute, und mit denen wollte er einen Oberst mit einer eigenen Abteilung im Sechsten Büro des Guoanbu zu Fall bringen? Einen Mann, der trotz seiner Schwierigkeiten zu den mächtigsten Leuten des chinesischen Geheimdienstes zählt?«
    »Er hat drei Touristen .«
    »Ihr seid keine Touristen mehr.«
    »Du solltest uns nicht unterschätzen, Milo. Gerade du müsstest es besser wissen.«
    »Ich versuche nur, die Situation zu begreifen. Er hat kein Netzwerk, keine Signalaufklärung und vor allem kein endloses Budget.«
    »Er hat mehr, als du denkst.«
    »Zum Beispiel? Turkestanische Islamisten?«
    Leticias Gesicht erstarrte. »Wo hast du das gehört?«
    »Die Company-Typen, von denen du einen zusammengeschlagen hast.« Er beugte sich zu ihr. »Seid ihr wirklich so blöd?«
    »Wir machen nichts zusammen mit den Uiguren.«
    »Und was ist mit der Jugendliga? Für diesen Verein hat sich Alan doch auch interessiert. Schließlich hat die Company denen schon mal Waffen geliefert.«
    »Da gibt es auch keine Gespräche.«
    »Das kann ich nur hoffen. Die würden sich auf jeden Plan stürzen, und wenn er noch so unausgegoren ist, Hauptsache es wird geschossen und gebombt.« Milo wartete kurz, aber sie blieb stumm. »Also, wenn das nicht die Helfer sind, dann erzähl mir bitte, wie er Xin Zhu absägen wollte.«
    Sie nahm einen größeren Schluck, bis nur noch ein kleiner Rest Wodka übrig war. Dann nahm sie das Holzspießchen heraus und biss eine Olive ab. Während sie kaute, schaute sie sich wieder in der Bar um. »Bist du nun dabei oder nicht?«
    Er brauchte einen Moment, bis es klick machte. »Du meinst, die Sache läuft noch?«
    Sie wölbte eine Braue. »Haben wir schon mal eine Operation abgebrochen, bloß weil jemand aus der Reihe tanzt?«
    »Ihr wisst doch gar nicht, wo er momentan ist.«
    »Erinnert mich an meinen Ex – als der abgehauen ist, dachten meine Freunde auch, ich muss mit allem aufhören.«
    Diese Koketterie fand Milo verwirrend. Der Mann, der die Operation koordiniert hatte, war spurlos verschwunden, trotzdem machte sie munter weiter, als wäre nichts passiert. Blinde Loyalität war das bestimmt nicht – solchen Ballast schleppten Touristen nur selten mit sich herum, ganz

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