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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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nehmen. Sie sind in Gefahr.«
    »Durch wen?«
    »Sie würden mir nicht glauben.«
    »Wo sind Sie jetzt?«
    Milo spürte einen Druck im Rücken; jemand wollte herein. »In Brooklyn. Kommen Sie her und holen Sie sie ab. Das ist alles. Ich gebe Bescheid, sobald sich die Situation beruhigt hat.« Eine Faust pochte heftig an die Tür. Milo rief: »Sekunde noch!«
    »Sie haben eine übertriebene Vorstellung von meinen Befugnissen. Wissen Sie noch, was Sie mir für Streiche gespielt haben? Das hat mir nicht unbedingt einen Karrieresprung eingebracht.«
    »Dann lassen Sie sich was einfallen. Wenn nicht, sterben Tina und Stef. Rufen Sie mich an, sobald sie in Sicherheit sind, aber nicht vorher.«
    »Hat das was mit diesem Dennis Chaudhury zu tun?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Company?«
    »Chinesen.« Als sie schwieg, setzte er hinzu: »Ich muss los. Tun Sie es einfach. Bitte.«
    »Sie meinen es ernst.«
    Nachdem er abgeschaltet hatte, öffnete er die Tür und entschuldigte sich bei einem baumlangen Kerl mit Schnurrbart. Dann arbeitete er sich wieder nach vorn und kam unterwegs an der Frau ohne Begleitung vorbei. Sein Drink war noch dort, wo er ihn abgestellt hatte. Um die Sache plausibel zu machen, zögerte er kurz, um seinen Hosenschlitz zu prüfen, und vielleicht war es diese Bewegung, die auffiel. Die Frau ohne Begleitung warf ihm einen Blick zu, so wie man sich kurz in einem Raum umsieht, aber das genügte.
    Er leerte den Martini und deponierte das iPhone hinter dem Glas, ehe er das Lokal verließ. Jetzt um 12.44 Uhr floss der rege Verkehr auf der Grand Army Plaza an ihm vorbei. Ohne sich umzuwenden, wartete er auf das Fußgängersignal, dann überquerte er mehrere Straßen, bis er die dreieckige Grasinsel erreichte. Dort blieb er reglos stehen. Um ihn herum setzten die Autos ihre laute Stauparade fort, während er wartete und versuchte, an nichts zu denken.

10
    Auf dem Heimweg kam er zu dem Schluss, dass er noch nicht genug getan hatte. Zwar vertraute er darauf, dass Janet Simmons ihn nach Kräften unterstützen würde, aber er wusste nicht, was eine Agentin in ihrer Position ausrichten konnte. Doch angesichts der Alternative beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Beim letzten Mal, als er seinen Vater gebeten hatte, jemanden zu verstecken, war die Betreffende – ein fünfzehnjähriges Mädchen – entkommen und später an einer abgelegenen Straße in den französischen Bergen ermordet worden.
    Natürlich lagen die Dinge jetzt anders, trotzdem hatte er kein gutes Gefühl, als er seine zweite Strategie entwickelte, die mit einem Besuch im Lebensmittelgeschäft und dem Kauf von Zutaten für eine vietnamesische Nudelsuppe begann. Oben in der Wohnung schnitt er das Gemüse in Stifte, und bevor er es im Kühlschrank verstaute, ließ er unauffällig einen Kugelschreiber von der Arbeitsplatte in seine Tasche gleiten. Dann wickelte er die Hähnchenbrust aus der Papierverpackung, von der er ein Stück abriss und ebenfalls in die Tasche steckte, ehe er den Rest in den Müll warf. Nachdem er das Fleisch geklopft, gewürzt und es zum Grillen in den Ofen geschoben hatte, steuerte er auf das WC hinter der Eingangstür zu.
    Als er die Hose öffnete, schaute er sich vorsichtig in dem kleinen Raum um: Toilette und Waschbecken, Spiegel und Deckenlampe. Er konnte keine Anzeichen von Überwachung erkennen, doch in Wirklichkeit baute er weniger auf seine Wahrnehmung als auf die Hoffnung, dass Xin Zhus Männer zwar womöglich die ganze Wohnung mit Kameras präpariert, aber kein Interesse an diesem Raum hatten. Auf der Toilette sitzend, zückte er Stift und Papier und schrieb eine Nachricht auf Russisch.
    Mit gespielt fröhlicher Miene holte er Stephanie vom Feriencamp ab und hörte sich ihre Beschwerden über Sarah Lawton an, die die Kühnheit besessen hatte, in Ballerinakleidung aufzutauchen, ohne Stephanie vorher Bescheid zu sagen. Zu Hause fing sie an zu schnuppern. »Kochst du was?«
    »Nudeln. Schmeckt dir bestimmt.«
    »Ich dachte, Grandpa geht mit uns zum Essen.«
    »Hier ist es gemütlicher.«
    Seufzend verzog sie sich in ihr Zimmer.
    Bei ihrer Ankunft um halb sechs stellte Tina die gleiche Frage und wirkte genauso frustriert. Als Milo schließlich hinunter zu Jewgeni ging, der sie in einer Limousine mit Chauffeur abholen wollte, war der Alte mehr als nur enttäuscht, er war sauer. »So eine Reservierung kriegt nicht jeder, weißt du.«
    »Stell dich nicht so an.« Milo rang sich ein Lächeln ab. »Dein Fahrer kann uns gern Gesellschaft

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