Die Spinne (German Edition)
jemand anders an der Hand? Haben Sie jemand anders, der Erfahrung im Umgang mit Xin Zhu hat?«
»Sie sind dem Mann doch noch nicht mal persönlich begegnet.«
»Arbeiten Sie mit jemandem, der ihn persönlich kennt?«
Irwin hatte den Eingangsbereich noch nicht verlassen; er lehnte am Treppengeländer, das hinauf zum ersten Stock führte. Er wirkte älter als im Fernsehen, aber das galt wahrscheinlich für jeden Menschen. Die Beleuchtung im Haus war nicht unbedingt vorteilhaft, und es gab keine Maskenbildner. Im Grunde sah Irwin verängstigt aus, und dazu hatte er wohl auch allen Grund.
Schließlich ließ sich der Senator zu einer Antwort herbei. »Das Problem ist: Um die Operation zu leiten, müssten wir Sie über ihren ganzen Umfang informieren. Und dazu bin ich nicht bereit.«
Milo hatte mit Widerstand gerechnet, eigentlich sogar mit stärkerem Widerstand. Doch von Xin Zhu wusste er, dass der Senator nur einer von drei Akteuren bei diesem Unternehmen war. Daher war Irwins Meinung vielleicht nicht unbedingt ausschlaggebend. »Na schön. Dann erklären Sie mir, welche Rolle Sie sich für mich vorgestellt haben.«
»Ich hab mir gar nichts vorgestellt. Leticia hat Sie dazugeholt. Und jetzt sind Sie hier, damit entsprechende Entscheidungen getroffen werden können.«
»Von Ihnen?«
Wieder huschte ein Lächeln über die Züge des Senators. Dann deutete er mit dem Kinn nach oben. »Kommen Sie.«
Die Treppe war eng, und an den Wänden hingen drei gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos von kleinen Kindern aus den späten Fünfziger- oder frühen Sechzigerjahren. Milo hätte interessiert, wen sie zeigten, aber er schenkte sich die Frage, denn Irwin wusste es bestimmt auch nicht. Oben wandten sie sich nach links und traten in ein kleines Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses, in dem aber kein Bett stand, sondern nur ein Tisch und vier Stühle vor einem dicht verhängten Fenster. Von dem ehemaligen Vorhandensein eines Betts zeugten Abdrücke im Teppichboden, und es gab auch eine Kommode und einen alten Toilettentisch, die ihm allerdings erst später auffielen. Denn beim Eintreten richtete sich sein Augenmerk auf eine elegant gekleidete Frau in mittleren Jahren, die mit einer Plastikflasche Evian am Tisch saß. Ihre Hände lagen verschränkt im Schoß. Zunächst betrachtete sie Milo ruhig, dann stand sie auf und streckte ihm die Rechte entgegen: »Hallo, Mr. Weaver. Ich bin Dorothy Collingwood.«
Vom National Clandestine Service , dachte er, als er ihr die Hand schüttelte. »Sie sind aber keine Senatorin?«
Sie lachte unbeschwert. »Um Gottes willen! Nicht für alles Gold auf der Welt möchte ich Nathans Job haben.«
»Dann müssen Sie von der Company sein.«
»Das muss ich wohl.« Lächelnd kehrte sie zu ihrem Stuhl zurück. »Genauer gesagt bin ich vom NCS .«
Ein merkwürdiges Gefühl, mit einem angesehenen Politiker und einer Company-Beamtin in diesem Zimmer in Georgetown zu stehen. Irwin war schon seit fast fünfzehn Jahren in Washington, während Collingwood ihre Position wohl erst seit kurzer Zeit innehatte – ihr Name war Milo noch nie begegnet. Hatte sie sich vielleicht auf eine Sache eingelassen, der sie nicht gewachsen war?
»Ist das alles?«, fragte Milo. »Nur Sie beide?«
»Es gibt noch einen Dritten«, erwiderte Collingwood, »aber er konnte es nicht einrichten.«
Stuart Jackson , dachte Milo.
Collingwood winkte sie zu den Stühlen, und Milo nahm links von ihr Platz. Irwin ließ sich gegenüber von Milo nieder.
Milo ging in die Initiative. »Ich bin hier, um zu helfen. Alans Verschwinden können Sie bestimmt nicht so leicht wegstecken.«
»Glauben Sie?« Collingwoods Blick ging zu Irwin, der den Kopf schüttelte. »Nathan findet, wir kommen alleine klar. Sie können also wieder heimfahren.«
Milo schaute zuerst sie und dann Irwin an, der ein unbeteiligtes Gesicht zur Schau stellte, bis völlig unerwartet sein linkes Auge zuckte. Doch das bestätigte nur, was Milo schon wusste: Der Mann stand unter großem Druck. »Leticia ist anderer Meinung.«
»Bei Agenten an der Front ist das ganz normal. Jemand mit Ihrer Erfahrung müsste das eigentlich wissen.« Sie nahm einen großen Schluck Wasser.
»Sie hat mich um Hilfe gebeten.«
»Ohne sich mit uns zu beraten«, warf Irwin ein.
Milo war sich nicht mehr sicher, warum er gekommen war. Oder vielmehr, er wusste zwar, warum er hier war, aber nicht, warum sie ihn zu diesem Treffen gebeten hatten. »Es ist Ihre Sache. Ich bin nur verwirrt, und ich verstehe
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