Die Spinne - Niederrhein-Krimi
bei Frau Krafft im Haus.«
»Ja, ich habe Sie schon dort gesehen.«
»Ich glaube, ich habe gerade Blödsinn mit dem Wagen Ihres Mannes gemacht. Ist er da, kann ich ihn sprechen?«
»Nein, er ist bei der Arbeit. Kommt erst spät. Bei dem Wetter fährt er lieber mit dem Taxi vom Bahnhof aus her. Was ist denn passiert, haben Sie den Wagen gerammt?«
»Nein, eher verunstaltet. Ich habe wie ein Blag Schnee von der Motorhaube geklaubt und dabei möglicherweise ziemliche Kratzer hinterlassen.«
Louise Verfürth holte sich eine Jacke und kam mit auf den Bürgersteig. Sie schaute nur kurz auf das Auto und ging fröstelnd zurück zur Tür.
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Burmeester, die Kratzer sind schon älter, und mein Mann hat die bereits begutachten lassen. Wir warten nur noch auf die Zusage der Kostenübernahme durch die Versicherung.«
»Da bin ich beruhigt, und entschuldigen Sie vielmals, soll nicht wieder vorkommen.«
Louise Verfürth zog sich schnell ins Haus zurück, Burmeester und Yasmin machten sich auf den Weg zum Nebenhaus.
»War echt blöd, wie zwei Kinder auf dem Heimweg von der Schule haben wir uns benommen«, sagte Burmeester.
»Stimmt. Meine Mama hat uns immer eingebläut, dass wir uns von fremden Autos fernhalten sollen, aber auf den Motorhauben lag der beste Schnee für den schnellen Ball, der im Kragen des Gegners landete. Man musste sich nicht einmal dafür bücken.«
»Deine Mama hat dich viele wichtige Dinge gelehrt, meine hätte wahrscheinlich die halbe Nacht lang ein Mandalamuster in den Schnee gehaucht und morgens den Besitzer gesegnet, weil er mit dem meditativen Kunstwerk zur Arbeit musste.«
»Deine Mama ist bestimmt ganz besonders. Du darfst sie nicht für ihre Art strafen, sie ist doch deine Mutter.«
Burmeester ereiferte sich, seine Mutter blieb auch nach Jahren der Trennung noch ein Reizthema. »Die wollte mich nicht und hat mich auch nicht erzogen, sie hat mich lediglich geboren.«
Yasmin nahm nun sein Gesicht in ihre feuchtkalten Hände. »Ist ja gut, reg dich nicht auf. Ich möchte sie nur irgendwann kennenlernen, ihr verdankst du doch dein wunderbares Leben. Ohne sie gäbe es uns beide hier unter der Laterne in diesem Dorf am Rhein nicht.«
Sie war so schlau, seine Schöne. Hinter der Gardine im Erdgeschoss von Kraffts Haus nahm Burmeester aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. »Wenn wir noch länger hier stehen bleiben, wird sie uns den Tee nach draußen bringen. Wir sind eh geliefert, sie hat uns gesehen. Keine Chance mehr, an der Kanne vorbeizukommen.«
»Du sollst das Alter ehren, auch das habe ich von meiner Mama. Sei froh, sie ist doch kein Drache, sondern eher so etwas wie eine Elfe in den besten Jahren. Wer ist hier schon immer nett und gut gelaunt, hat Tag und Nacht ein offenes Ohr und Trost für andere? Solche Menschen kannst du suchen. In meinen Augen ist sie eine sehr kommunikative und weise Frau.«
Burmeester wurde nachdenklich. Seine schöne Freundin hatte Kaskaden von Worten parat, die die Welt brauchte, die ihm guttaten. So hatte er Johanna Krafft noch nie gesehen. Er legte seinen Arm um Yasmins Schulter und führte sie zur Haustür. Die weise Elfe in den besten Jahren öffnete ihnen lächelnd.
* * *
Die Spinne starrte ihn an. Sie war riesig, saß mit sprungbereit aufgestellten Beinen oben auf dem Tor aus Granit und schien Mertesacker mit festem Blick zu fixieren. Das schwarze Monster mit durchdringenden, hellen Augen versetzte ihn in panische Unruhe. Er sprang auf, das angebissene Brötchen mit Erdbeermarmelade fiel ihm aus der Hand und landete auf dem Boden. Natürlich auf der Butterseite. Seine Aufmerksamkeit jedoch galt dem Zeitungsartikel, ausgeschnitten aus der Xantener Regionalpresse, den er einem adressierten Briefumschlag entnommen hatte.
Nun lag der fahrig ausgeschnittene Artikel vor ihm auf dem Küchentisch wie ein tonnenschwerer Stein. Zwischen dem Frühstücksbrettchen und der leeren Milchtüte lag das Foto von der Spinne auf dem Tor und brannte sich in sein Hirn ein, schmorte und verströmte einen entsetzlichen Gestank. Die aufgeregte Stimme seiner Frau Carola meldete sich aus dem Schlafzimmer, holte ihn zurück ins Hier und Jetzt.
»Merkst du denn nicht, dass die Milch anbrennt?«
Nein, das hatte er nicht bemerkt. Mit einer hastigen Bewegung griff Mertesacker den Artikel, auch den Umschlag, und knüllte beides in die Hosentasche, während seine Frau im Morgenmantel zum Herd stürzte, um den übersiedenden Topf von der
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