Die Spinne - Niederrhein-Krimi
letzte Kohlmeise flog auf, als Henner in den Garten ging.
Johanna stand hinter der Scheibe und beobachtete, wie ihr Lieber und Louise gemeinsam das Gehölz versorgten und dabei ins Gespräch kamen.
* * *
Der Verkehr auf der A 3 stockte, und Karin Krafft gab ihr Bestes, um nicht ungeduldig zu werden, verlor jedoch minütlich an Contenance. Ihre Hände umklammerten das Lenkrad, und ihrer Mimik war anzusehen, wie sehr ihr dieser Ausflug ins Ruhrgebiet missfallen hatte. Sie äffte die Oberschwester der Intensivstation nach, die ihren Aufenthalt zeitlich sehr gestrafft und reglementiert hatte.
»Immer das Gleiche auf solchen Stationen, das Personal ist entweder total nett, oder es entstammt in direkter Linie den mittelalterlichen Drachentötern. ›Aber bitte bleiben Sie sensibel. Und nur fünf Minuten, keine Sekunde länger, ich habe Sie im Auge.‹ Das habe ich Schwester Danuta glatt geglaubt. Die hätte uns im Falle grob fahrlässiger Zuwiderhandlung von unserem eigenen Wachpersonal vor die Tür setzen lassen.«
Burmeester schrieb bereits die vierte SMS und schien gar nicht in Eile zu sein. Im Gegenteil, er nutzte die geschenkte Zeit für Seelenhygiene, wie er den intensiven Austausch von Kurznachrichten mit seiner Neuen nannte. Völlig ausgeglichen schaute er kurz auf und blickte auf das Lkw-Kennzeichen. »Der Ostblock auf Tour.«
»Lenk jetzt nicht vom Thema ab.«
»Im Grunde deines Herzens willst du der fürsorglichen Schwester eigentlich beipflichten, aber du kannst es nicht, weil du dir wesentlich mehr Informationen erhofft hast. Richtig?«
Karin wechselte die Fahrbahnen und versuchte, jede kleinste Lücke zu nutzen, um vorwärtszukommen.
»Da liegst du nicht falsch. Frank Fortmann sieht übel aus, und er muss sein Hirn neu konfigurieren. Der war noch gar nicht richtig da. Dieses Gestammel vom Einschlafen am Schreibtisch nach einem ordentlichen Single Malt Whisky, die Musik in den Ohrstöpseln muss gedröhnt haben, die Rockröhre Adele hat ihn beglückt, und nichts hat er bemerkt, nichts. Immer wieder hat er dieses ›nichts‹ betont, als stünde es haushoch vor der Wahrheit.«
»Du glaubst ihm nicht?«
»Sag mir, wie er ins Schlafzimmer gelangt ist, wenn er tatsächlich unten eingeschlafen ist.«
Burmeester las mit süffisantem Lächeln die nächste SMS , bevor er seine These äußerte.
»Und wenn der Täter ihm eins über den Schädel gezogen hat, ihn danach die Treppe hochgehievt und im Schlafzimmer abgelegt hat?«
Karin sah ihn streng von der Seite an, Burmeester verteidigte seine Theorie. »Wäre doch möglich.«
»Dann muss die Frau, die Täterin, bei der wir rein gedanklich angelangt waren, eine russische Preisringerin sein. Der Fortmann ist weder zwergenwüchsig noch fliegengewichtig, da hätte es treppauf einiges an Energie gebraucht. Und Lena Fortmann wäre nicht wach geworden, als ihr Mann im Schlafzimmer auf den Boden plumpste. Mütter haben einen leichten Schlaf, die hören die Mäuse tippeln.«
Unvermittelt wurde ihre Stimme laut. »Mensch, mach dich von der Piste, ich will hier nicht übernachten.«
Burmeester starrte seine Chefin ungläubig an. »He, seit wann bist du unter die Drängler gegangen? Pass auf, dass dich die Zivilstreife nicht filmt, sonst bist du deinen Lappen los.«
Genervt reihte sie sich rechts hinter einem Reisebus ein und gab sich geschlagen. »Weißt du, was mich am meisten irritiert hat? Diese Mischung aus Nichtwissen und ganz klarer, detaillierter Erinnerung. Er weiß nicht, was passiert ist, kann aber den Inhalt des Kleinsafes im Schreibtisch genau beschreiben. Persönliche Unterlagen, Versicherungspolicen, Updates von seinen Online-Geschäften, selbst die Impfpässe der Kinder und das Stammbuch erinnert er. Bloß nicht, was sich im Haus abgespielt hat, da setzt es aus.«
Sie tuckerten schweigend hinter dem Bus mit winkenden Kindern an der hinteren Scheibe her, bis Burmeester sich regte. »Kann doch gut sein, dass sein Kurzzeitgedächtnis gelitten hat. Schließlich hat er den Inhalt des Safes schon lange gekannt, diese Information ist gut gespeichert. Von dem Ablauf des Abends hat er keine Sicherungsdatei angelegt.«
»Du wirst recht haben. Der ist ja gerade erst wieder unter den Lebenden angekommen. Hast du gesehen, wie zittrig er das Glas nahm, um dann gierig zu trinken? Wir sollten ihm ein wenig Zeit lassen.«
Karin blickte zufällig auf den Namen des Busunternehmens vor ihnen und prustete los. »Da, lies mal. Es gibt Namen, die sind so
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