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Die Spinne - Niederrhein-Krimi

Die Spinne - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Spinne - Niederrhein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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unglaublich. Wenn du so heißt, hast du entweder viel Spaß oder Leid. Man braucht eine gewisse Portion Humor, um damit durch das Leben zu kommen.«
    Burmeester blickte auf und traute seinen Augen nicht. »›Jungverdorben‹. Die heißen tatsächlich Jungverdorben, das hab ich ja noch nie gehört.«
    »Und dann die Adresse. Am Hammerwerk. Ich fass es nicht.«
    Sie giggelten eine Zeit lang wie zwei Teenager, Karin vergaß ihre Eile, und Burmeester überhörte die Ankunft der nächsten SMS , bis in Höhe des Kreuzes Bottrop der Verkehr zum Stillstand kam und Karin den Blinker setzte.
    »Lieber völlig jungverdorben und fluchend rausfahren, als unverdorben und brav im Stau stehen. Wir müssen noch einmal zu dem Haus. Ich will mir das Treppenhaus anschauen, vielleicht ist an deiner These was dran.«
    Sie bogen ab in Richtung Kirchhellen, um über Hünxe nach Wesel zu gelangen. Mit siebzig Stundenkilometern fuhren sie über Land, vorbei an Bauernhöfen und Windrädern. Im Rückspiegel sah Karin die gespenstische Industriekulisse der Gelsenkirchener Scholven Chemie. Sie streiften den Wald, in dem der Munitionszerlegebetrieb angesiedelt war. Burmeester wies auf das Schild.
    »Da arbeitet Karl Masoch. Den hätten wir auch selber aufsuchen können. Stattdessen fahren wir gemütlich vorbei, während Tom und Jerry extra herkommen, um den Bombenentschärfer zu befragen.«
    »Wir kreisen in dem Fall eben noch ziemlich herum. Ganz jungverdorben.«
    * * *
    Sie hatte sich den Tag freigenommen, einmal in jeder Jahreszeit musste sie nach Arnheim. Nur dort gab es die Mode, in der sie sich wohlfühlte, richtig pfiffig und farbenfroh, mit mutigen Schnitten und eigenwilligen Details. Nur dort fühlte sie sich mit ihren modischen Ansprüchen verstanden und fuhr jedes Mal zufrieden zurück in Richtung Dinslaken.
    Vier unterschiedliche Tüten mit Kleidungsstücken baumelten bereits an ihrem Handgelenk, nun steuerte Conny Wuttke ihr Lieblingscafé an, »Beans and Bagels« in einer Parallelstraße zur Bakkerstraat. Ein kleiner Laden mit einfach verglaster, federleichter Eingangstür, Holzdielen und langen, rustikalen Tischen mit Bänken. Mit viel Glück konnte sie sich dort mit der Heizung im Rücken aufwärmen und einen ofenheißen Bagel mit Frischkäse und roter Marmelade essen, dazu einen Chai Latte trinken. Der Gedanke gefiel ihr.
    Die Scheiben des Cafés waren beschlagen. Conny fand einen freien Platz auf der langen Bank und gab ihre Bestellung in holprigem Niederländisch auf. Sie kramte ihren Handspiegel aus der Handtasche, die neben ihr auf der Bank stand. Alles gut, der Hut hatte ihrer Frisur nicht geschadet. Beim Verstauen des Spiegels berührten ihre Hände den Briefumschlag, den sie seit ein paar Tagen mit sich herumtrug. Sie zog ihn hervor, und während der Milchtee mit der Schaumkrone, bestäubt mit Zimt, serviert wurde, lag er vor ihr auf dem Tisch.
    Sie gab sich dem zarten Duft hin, dem Geschmack des gelöffelten Milchschaums, dann nahm sie den Umschlag zur Hand und schaute sich zum x-ten Mal den merkwürdigen Inhalt an. Ein Teil eines Fotos, ungelenk ausgerissen, ein einzelner jugendlicher Kopf. Kein aktuelles Foto, nein, die Frisur und auch ein Brillengestell, eine das Gesicht einnehmende Pilotenbrille, zeugten davon, dass es in den Achtzigern entstanden sein musste. Kein Begleittext, kein Wort auf dem Schnipsel, nichts weiter, schon gar kein Absender auf dem Umschlag. Lediglich dieses junge Gesicht, das gelöst und locker in die Kamera lächelte.
    Der Bagel wurde serviert, dampfte noch und duftete verlockend. Sie liebte den Geschmack des leicht herben, cremigen Frischkäseaufstrichs zusammen mit Erdbeermarmelade und gab sich Bissen für Bissen diesem Genuss hin. Nach dem halben Bagel fiel ihr Blick wieder auf das unbekannte, unbeschwerte Gesicht. Seit Tagen zermarterte sie sich das Hirn, ob dieses Foto in ihre Jugendzeit passte, ob einer der Jungs von damals ihr ein rätselhaftes Zeichen geben wollte, um sich bei ihr in Erinnerung zu rufen. Die ganze Liste ihrer Freunde und Anbeter ging sie durch, immer und immer wieder, niemand passte zu dem Lächeln und diesem gewinnenden Augenaufschlag.
    Sie fischte sich eine mit Schokolade überzogene Moccabohne aus einer Keramikschale. Auf jedem Tisch stand ein Gefäß mit Würfeln aus Rohrzucker, den süß-herben Bohnen und anderen Schokoladenstückchen. Ein kleines Dessert. Sie drehte den Schnipsel um, ein Fragment wurde sichtbar, eine unfertige Zeichnung, von der sie wohl nie

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