Die Spinne - Niederrhein-Krimi
lässt dich so überzeugt von einem Mann reden?«
»Die Wucht des Schlags. Total abgebrüht. Ohne Vorwarnung, zack, ahh.«
In der Ferne hörten sie das Martinshorn.
In den Räumen der Spurensicherung traute Heierbeck seinen Ohren nicht.
»Das meinen Sie nicht ernst, Frau Krafft. Wir sind jetzt zweimal in diesem Haus gewesen, es beschäftigt uns rund um die Uhr, und alles andere liegt auf Eis. Ich komme mit der Auswertung der Internetkontakte nicht vorwärts, wenn wir ständig rausgeschickt werden.«
»Sie müssen die neuesten Spuren sichern, da geht kein Weg dran vorbei.«
»Vielleicht war es ein Obdachloser, der einen Platz suchte.«
»Der hätte Burmeester nicht niedergeschlagen und wäre erst recht nicht mit einem Auto geflüchtet.«
»Wir sind unterwegs.«
Burmeester blickte die flinken, versierten Sanitäter dankbar an. Sie ließen ihn nicht aufstehen, er sei ohnmächtig gewesen, da müsse das Oberstübchen erst mal durchleuchtet werden, reine Vorsichtsmaßnahme. Sie würden ihn mitnehmen. Plötzlich wurde ihm warm ums Herz.
»Bringen Sie mich bitte in die Klinik in der Aue.«
»Da müssen wir erst nachfragen, ob die Kapazitäten haben.«
»Tun Sie das. Haben die.«
Karin sah dem Wagen nach, der mit Blaulicht zurück in Richtung Wesel fuhr. Was war hier los, warum interessierte man sich für dieses Haus selbst in ausgebranntem Zustand? Was gab es hier zu finden? Viel wichtiger noch erschien ihr die Frage, was die Fortmanns zu verbergen hatten.
* * *
Johanna Krafft hatte einen festen Plan. Sie würde herausfinden, wieso ihre Nachbarin seit Wochen allein unterwegs war und selbst die schweren Gartenarbeiten auf sich nahm. Da stimmte etwas nicht. Ihrem Henner hatte die Nachbarin gesagt, ihr Mann wäre gar nicht fort, der käme spät in der Nacht und wäre am nächsten Morgen in aller Frühe wieder unterwegs. Das konnte nicht richtig sein, sie würde hören, wenn im Nebenhaus spätnachts die Klospülung betätigt würde oder frühmorgens die Tür zuschlug und ein Auto startete. Der Wagen von Alfons stand seit Wochen vor dem Haus.
Vor ein paar Monaten waren sie und der Nachbar über den Zaun hinweg kurz ins Plaudern geraten, und er hatte Johanna erzählt, er müsse ständig erreichbar sein, sein Beruf verlange Flexibilität von ihm. Länger als eine Woche Urlaub könne er sich nicht leisten. Wenn er länger als sieben Tage raus wäre, könne er Konkurs anmelden. Die Zeit sei schnelllebig, und Verträge würden nicht auf morgen warten. Jetzt war er schon seit den Weihnachtstagen fort. Ungewöhnlich, äußerst ungewöhnlich, und seine Frau begann, Ausreden zu suchen.
Johanna richtete sich am Esstisch eine Arbeitsecke ein. Sie hatte ihre alte Schreibmaschine aus dem Keller nach oben gewuchtet, das kompakte Gerät schien mit der Zeit zugenommen zu haben. Die halb automatische »Gabriele 100«, die sie immer als »meine treue Gabi mit dem fortschrittlichen Korrekturband« vorgestellt hatte, fand zu neuer Bestimmung. Ein Paket Schreibpapier hatte Johanna aus dem Supermarkt mitgebracht, und nun legte sie ein Blatt in den automatischen Einzug. Wie sollte sie nennen, was sie beim Bäcker und gegenüber bei der alten Nachbarin erfahren hatte? Ermittlungsergebnisse? Nein, zu förmlich, ihre Tochter war bei der Kripo, nicht sie. Befragungsergebnisse? Dito. Viel zu bürokratisch. Vielleicht etwas leichter, mehr auf Prosa ausgerichtet. Sie tippte ein:
Die Geschichte von Alfons und Louise Verfürth
Einen Moment lang saß Johanna da und starrte auf die Buchstaben. Dann betätigte sie die Korrekturtaste, die Buchstaben fraßen sich rückwärts mit lautem Geratter wieder vom Blatt. Auf ein Neues:
Sammlung von Informationen zur Abwesenheit von Alfons Verfürth
Das gefiel ihr, knapp, schlicht, präzise, und genauso würde sie es mit der Niederschrift halten. Keine eigene Meinung einfließen lassen, am besten im Tonfall ihrer jeweiligen Gesprächspartner berichten.
Isolde Schreiber von gegenüber sagt auf die Frage, ob sie etwas über Alfons Verfürth sagen kann:
»Ich kenne den Verfürth kaum. Mit dem habe ich noch nicht viel gesprochen. Wenn wir hier feiern, ist meist nur seine Frau da. Weißt du noch? Beim letzten Straßenfest hat sie lange mit dem Öko vom Eckhaus getanzt, da war kein Ehemann an ihrer Seite. Ich hab mich noch gewundert. Dass der nichts dagegen hat, dachte ich, mein Alter wäre im Sechseck gesprungen, wenn ich mich so aufgeführt hätte. Bei der Hochzeit von den Heeks ist er kurz da gewesen.
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