Die Spionin im Kurbad
beschwichtigen. Ein fescher Offizier erwarb zwei rote Nelken, die ein hübsches Mädchen an ihrem Dekolleté befestigte, bereit, dafür einige Dummheiten zu begehen. Und dann war da noch der Zar Alexander, der dem armen Blumenmädchen aus Fachbach jeden Morgen einen Strauß abkaufte und ihr dafür immer ein Goldstück gab.
» Sehr hübsche Geschichte«, meinte Altea, während sie mir noch einen Finger voll Sahne reichte.
Sie log.
Warum?
» Ja, sehr hübsch. Und ich glaube sogar, dass das mit dem Zaren wahr ist.« Mama sinnierte noch ein wenig darüber, welche der genannten Persönlichkeiten sie wohl kannte, und kam dann aber über den feschen Offizier auf den steifen Neffen.
» Bedauerlich, Altea, dass er morgen seinen Onkel nicht begleitet, um mit uns zu speisen.«
» Er ist anderweitig verabredet.«
Kam sehr trocken von Altea. Ich merkte wieder auf.
» Das kann ich gar nicht verstehen. Damals in Rathenow habt ihr euch doch oft auf Gesellschaften getroffen. Und – ach – er war ein so gut aussehender junger Offizier. Diese Zieten-Husaren mit ihren prachtvollen Uniformen haben selbst mir, obwohl ich ja deinem Papa eine treue Gattin war, den einen oder anderen Seufzer entlockt.«
» In Feldgrau, in Schlamm, Pulverqualm und Blut verlor sich das dann, Mama.«
» Gott, oh Gott, ja, natürlich. Dieser Krieg … Aber dennoch, Liebes, du hattest damals ein tendre für ihn, nicht wahr?«
» Er aber nicht für mich, Mama. Und nun hat er augenscheinlich auch jede Erinnerung an mich verloren.«
» Die Kriegsverletzung …«
» Vielleicht. Zumindest liefert sie ihm auch nur eine bequeme Ausrede.«
Mama sah betrübt drein.
» Eine schöne Uniform, ein wohlklingender Titel, ein attraktives Aussehen sind nicht alles, was einen Mann anziehend macht. Vincent de Poncet ist ein arroganter Pinsel.«
Mhm – da klang doch eine derart verhaltene Wut mit, dass ich glatt einen Satz rückwärtsmachte. Ganz offensichtlich hatte der steife Neffe schon früher meine Altea auf das Gemeinste verletzt.
Bouchon würde mir dringend und umgehend Rede und Antwort stehen müssen.
Verdächtigungen
Die Gelegenheit bot sich am späteren Nachmittag. Wie verabredet, flanierte Bouchon mit seinem Menschen am Lahnufer entlang, und als ich mich zu ihm gesellte, lachte der Freiherr fröhlich auf.
» Na, Bouchon, dann wirst du jetzt eine Weile deines Weges gehen wollen.«
Der Stopfen rieb seinen dicken Kopf an dem Hosenbein und trottete auf mich zu.
» Ich muss mit dir reden.«
» Ich mit dir auch!«
Wir suchten uns einen Platz am Ufer, wo wir von den Menschen nicht gleich entdeckt wurden. Ich mochte das Wasser – also den Anblick. Die Pfoten machte ich mir nicht gerne darin nass. Bouchon war ebenfalls beeindruckt und sah staunend einem Nachen nach, in dem eine elegante Gesellschaft stromaufwärts gerudert wurde.
» Was gibt es, Bouchon?«
Ich fragte zuerst, vielleicht bekam ich ja schon ein paar erhellende Auskünfte über den steifnackigen Vincent.
Aber nein, der Tote aus dem Kurbad hatte des Freiherrn Aufmerksamkeit erregt. Er hatte mit dem Kurarzt über Biscontis Ableben geplaudert. Der Arzt war offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass ein Herzanfall, ausgelöst durch zu langen Aufenthalt in dem warmen Wasser, dessen Leben beendet habe. Aber der Freiherr war anderer Meinung und hatte das mit Vincent diskutiert.
» Also kann er doch reden, wenn er will?«, hakte ich nach.
» Ja, kann er. Sina, er ist gar nicht so krank, wie er vorgibt.«
» Ach nee!«
» Nein. Er bewohnt ja ein eigenes Zimmer, und ich bekomme ihn nicht oft zu Gesicht. Aber als er heute den Freiherrn aufsuchte, hat er ziemlich viel geredet. Er hat ein großes Interesse an diesem Bisconti bekundet, und er sagt, es könnte sein, dass ihn jemand getötet hat.«
» Es war aber kein Blut da.«
» Nein, deshalb meint er, er sei vermutlich vergiftet worden.«
Also war mein allererster Eindruck doch nicht ganz falsch gewesen.
» Dieser Geruch, dieser bittersüße Geruch. Dann war es wahrscheinlich doch ein Gift.«
» Möglich. Aber wir können da nicht sicher sein. Trotzdem behauptet Vincent, dass Bisconti umgebracht wurde.«
» Also hat er sich Feinde gemacht.«
» Das hat er wohl, und einer von ihnen ist ihm hierhin gefolgt und hat ihn vergiftet. Vincent sagt, dass Gift oft von Frauen verwendet wird.«
» So?«
» Ja, die Männer bringen sich gegenseitig blutig um. Er sagt, Frauen sind hinterhältiger.«
» Der hat aber eine üble Meinung von
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