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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie zu, nickte und bedankte sich und versprach, alles Mögliche auszuprobieren. Aber ihre Finger zupften dabei ruhelos an dem Tischtuch.
    Aus einem ebenerdigen Zimmer floss zwischen vorgezogenen Portieren ein Streifen goldenes Licht auf die Blumenrabatten, und als ich in den Raum spähte, sah ich den Mann mit der Augenklappe wieder. Er saß mit sechs Leuten um einen Tisch und spielte Karten. Das war vermutlich das, was Altea gemeint hatte. Sie vertrieben sich die Zeit und amüsierten sich. Warum auch immer heimlich. Etwas überraschte mich, dass Alteas Mama mit in der Runde saß und in die bunten Blätter in ihrer Hand starrte.
    Die Dämmerung füllte den Garten mit Schatten, einige Herrschaften erhoben sich und verkündeten, sie wollten sich nun zurückziehen. Der Bandoneonspieler packte sein Instrument ein, und auch Olga stand auf. Ich beschloss, ihr zu folgen. Auch wenn ich große Vorsicht dabei walten lassen musste. Die spitzen Absätze waren mir noch in viel zu schlechter Erinnerung. Madame Olga war umtriebig. Sie kehrte nicht in ihre Räume im Haus Germania zurück, sondern begab sich auf die Straße. Allein und im Dunkeln.
    Das hatte sie schon einmal getan.
    Im Schutz der Hauswände schlich ich ihr nach, und schon wenige Schritte weiter wurde ich belohnt. Allerdings war mein Erstaunen geradezu überwältigend, denn der steife Neffe trat unter der Markise des Kurhauses hervor, begrüßte sie und blieb an ihrer Seite, als sie den Weg zur Kurpromenade einschlug.
    Was hatte Vincent denn mit der heiseren Olga gemein?
    » Olga Petuchowa, welch Zufall!«, begrüßte er sie.
    Sie lachte leise und hängte sich bei ihm ein.
    » Natürlich!«
    » Nein.«
    » Nein, mein Lieber. Du hast Gewohnheiten – man findet sie schnell heraus. Nächtliche Spaziergänge gehören ebenso dazu wie der Geruch deines Zigarillos.«
    » Eine gute Nase hast du schon immer gehabt. Was führt dich her?«
    » Meine lästige Heiserkeit.«
    » Sicher. Ich vermute, die Opernbühne in Sankt Petersburg beklagt den Verlust deiner kostbaren Stimme ebenso wie du.«
    Wieder ließ sie ein leises Lachen ertönen. Sie schlenderten am Ufer entlang, langsam, gemächlich. Ich folgte ihnen mit aufmerksam aufgestellten Ohren. Vincent und Olga schienen sehr vertraut miteinander.
    » Und dich vermissen die prachtvollen Zieten-Husaren gewiss auch«, sagte sie leise.
    » Ohne Zweifel. Doch man gewährte mir Urlaub – Familienangelegenheiten.«
    » Sicher. Dein Onkel, hörte ich, plagt sich mit Gallenbeschwerden und du dich mit dem Verlust deiner Erinnerung. Wird das Brunnenwasser sie wieder erfrischen?«
    » Man gibt die Hoffnung nie auf, Olga.«
    » Weshalb du nachts durch Bad Ems wanderst und sie suchst?«
    » Nur ein wenig Bewegung. Mein Zigarillo schmeckt in der lauen Nachtluft besser als in meinem dumpfen Zimmer.«
    » Ein dumpfes Zimmer im Kurhotel? Also ist das der Grund, weshalb du dich nach einer anderen Unterkunft umsiehst?«
    » Tue ich das?«
    » Dich interessiert das Haus Germania. Oder war ich es, der deine Aufmerksamkeit galt?«
    » Du bist jede Aufmerksamkeit wert, Olga.«
    » Schmeichler. Und Lügner. Sind es die abgehalfterte Gräfin und ihr Humpelbeinchen von Tochter, denen du nachstellst?«
    » Abgehalfterte Gräfin?«
    » Tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Die Lilienstern haust oben in der Mansarde, kann sich kaum das Essen leisten und trägt dreimal gewendete Kleider.«
    Sie hatten die Brücke erreicht und fast überquert. Vincent blieb am mittleren Pfeiler stehen und lehnte sich daran an.
    » Nein, das wusste ich nicht«, sagte er, und es klang tonlos. Wieder verbarg er etwas. Ich setzte mich in den Schatten des Gittergeländers und lauschte.
    » Du kennst die Tochter, nehme ich an. Rathenow, nicht wahr?«
    Er sah über das Wasser. Dann drehte er sich abrupt um.
    » Fast, Olga, fast wäre es dir gelungen. Aber vergiss nicht, ich kenne deine Methoden.«
    Sie lachte wieder, es hörte sich fröhlich an.
    » Ja, nützlich, nicht wahr?«
    » Sehr. Du reist allein zur Kur?«
    » Für eine Witwe wohl angemessen.«
    » Gawril Mirinow starb?«
    » Gewissermaßen. Seine Rolle ist ausgespielt.«
    » Und nun suchst du einen neuen Gatten, verstehe. Bad Ems ist nicht der schlechteste Ort dafür. Zar Alexander ist mit großem Gefolge zu Gast.«
    Vincent setzte sich in Bewegung, Olga hängte sich wieder bei ihm ein.
    Ich hinterher. Das war ja rasend spannend. Da wurden mehr als kryptische Informationen ausgetauscht. Noch ergaben sie keinen Sinn

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