Die Spionin im Kurbad
Frauen.«
» Ja, die hat er wohl. Aber eine noch üblere von Bisconti. Ich hatte den Eindruck, dass er seinen Tod nicht besonders betrauerte.«
» Vielleicht hat er ihn selbst umgebracht.«
» Nein. Oder …?«
Bouchon sah nachdenklich drein.
Ich auch. Töten gehörte zum Katzenleben – wir brauchten Nahrung, darum machten wir Jagd auf kleinere Tiere. Menschen brauchten ebenfalls Nahrung, deshalb töteten sie auch Tiere. Aber wir Katzen töteten nicht unseresgleichen. Wir kämpften zwar miteinander. Die Kater um Kätzinnen und Reviere, wir Kätzinnen verteidigten unsere Kinder und unsere Reviere. Es gab Kratzer und Bisswunden, und manchmal, wenn sie zu tief waren, starb man dran. Aber in einem Kampf ging es nicht um Leben und Tod. Außer in ganz seltenen Fällen. Und nur, wenn eine Katze verrückt wurde, tollwütig zum Beispiel, dann tötete sie wahllos.
Menschen töteten einander.
Warum, darüber hatte ich mir schon einige Gedanken gemacht. Ich teilte sie Bouchon mit.
» Die einen töten, weil sie zu viele Gefühle haben, die anderen, weil sie gar keine haben. Jene, die zu viele Gefühle haben, werden verrückt, wenn man diese verletzt, und werden dann tollwütig. Die, die keine haben, sind so verrückt, dass sie Freude am Töten haben. Also hat entweder Bisconti jemandes Gefühle verletzt, oder ein gefühlloser Verrückter hat ihn umgebracht«, sinnierte ich. » Was weißt du von Vincent, Bouchon?«
» Er ist Soldat, und Soldaten töten«, sagte er mit unglücklicher Stimme.
» Du willst aber nicht glauben, dass er den Mann vergiftet hat?«
» Nein, will ich nicht. Er ist eigentlich ganz nett. Er mag den Freiherrn. Und er mag mich. Ich darf neben ihm sitzen, und dann streichelt er mich. Und Leckerbissen gibt er mir auch.«
» Er versteckt seine Gefühle.«
» Ja, das tut er. Nach außen hin.«
» Also hat er viele davon. Und die sind verletzt worden.«
Bouchon bürstete seinen Schwanz. Heftig. Ein Zeichen dafür, dass er unschlüssig war. Doch dann hörte er auf damit und sah mit zwischen den Zähnen heraushängender Zunge über das Wasser.
Das passierte mir auch manchmal, wenn ich sehr angestrengt nachdachte.
» Er hat eine Kopfverletzung erhalten«, sagte Bouchon schließlich. » Vielleicht ist er dadurch verrückt geworden.«
» Du hast doch gesagt, er gibt nur vor, krank zu sein.«
» Und du sagst, seine Gefühle sind verletzt.«
» Sitzen die Gefühle der Menschen in ihrem Kopf?«
» Mhm.«
» Eben.«
Ich kratzte den meinen. Gefühle steckten überall in einem drin. Aber ich war beispielsweise sauer auf die heisere Olga, die mich getreten hatte, und würde ihr zu gerne mal die Kralle in die Wade schlagen.
Woraus ich schlussfolgerte: » Hat Bisconti ihn am Kopf verletzt?«
» Nein, das waren Soldaten. In Frankreich.«
» Wenn man sich den Kopf anstößt, wird man eine Weile duselig. Also könnte doch etwas daran sein, dass er sich nicht erinnern kann«, murmelte ich vor mich hin.
» Nein«, sagte Bouchon nachdrücklich. » Er hat sein Gedächtnis nicht verloren, Sina. Das erzählt er anderen nur.«
» Aber warum?«
» Damit sie ihn für harmlos halten!«
Meine Schnurrhaare zuckten.
» Also ist er gefährlich?«
» Ich glaube schon. Zumindest hat er einige gefährliche Aufgaben durchzuführen gehabt. Das hat zumindest der Freiherr so gesagt. Er war Aufklärer im Krieg, er musste heimlich herausfinden, wo ihre Feinde waren.«
Also unbemerkt in ein fremdes Revier eindringen und feststellen, wo die Gefahren lauerten – ja, das war eine riskante Sache. Und sie erforderte Mut.
» Aber der Krieg ist doch vorbei?«
» Ja, das ist er wohl.«
» So kommen wir nicht weiter, Bouchon. Bisconti ist tot, er braucht uns nicht mehr zu interessieren. Aber meine Altea macht mir Sorgen.«
» Warum?«
» Weil – sie kennt den steifen Vincent. Und er gibt jetzt vor, sich nicht an sie erinnern zu können. Und das macht sie unglücklich.«
» Ja, er kannte sie wirklich. Und darum hat der Freiherr ihn vorhin auch fürchterlich ausgeschimpft.«
» Vor diesem Krieg sind sie einander begegnet. Altea mochte ihn. Aber er sie nicht. Andererseits, Bouchon, hat er gestern Abend am Gartentörchen gestanden und traurige Gedanken gehabt.«
» Ja, er hat gestern Abend deine Altea und ihre Mama belauscht. Das hat er dem Freiherrn berichtet.«
Lauschen war höchst nützlich. Das konnte ich ihm nicht verübeln.
» Was hat er denn gehört?«
» Dass Altea nicht wollte, dass ihre Mama Bisconti heiratet.
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