Die Spionin im Kurbad
mal ganz lecker.
Der Himmel hatte sich bezogen, im Westen wetterleuchtete es.
Donner war noch nicht zu hören, wohl aber das lautstarke Lärmen einer Menschengruppe. Sie kamen über die Brücke. Bevor ich es noch sehen konnte, drängelte sich Bettes Duftwolke an meine Nase. Die nun schon wieder. Ich duckte mich in den Schatten und beobachtete, wie sie sich im Schein der Straßenlaternen näherten. Vier Männer, darunter der karierte Lord Jamie, Bette und eine weitere Frau. Die Männer hatten Flaschen in der Hand, die sie kreisen ließen. Es schäumte daraus.
Menschen tranken den Saft vergammelter Früchte und wurden duselig davon. Besonders gerne mochten sie das Zeug, wenn es sprudelte.
Die Frau kicherte ordinär, als ihr die Flüssigkeit in den Ausschnitt tropfte. Bette trank geschickter. Lord Jamie stellte sich in Pose und rief: » Ich liebe das deutsche Dichtern und Denkern. Ich habe gelernt eine Poem.« Und dann zitierte er:
» Bringt mir Blut der edlen Reben,
bringt mir Wein!
Wie ein Frühlingsvogel schweben
in den Lüften soll mein Leben
in dem Wein.«
Bette stieg auf eine Bank und reckte die Hände zum Himmel. Ihr Gesicht zeigte Flehen und Hingabe. Sie deklamierte voll Inbrunst:
» Bringt mir Efeu, bringt mir Rosen
zu dem Wein!
Mag Fortuna sich erbosen,
selbst will ich mein Glück mir losen
in dem Wein.«
Einer der Männer umfasste ihre Hüften und fuhr fort:
» Bringt mir Mägdlein hold und mundlich
zu dem Wein!
Rollt die Stunde glatt und rundlich,
greif ich mir die Lust sekundlich
in dem Wein.«
Bette quietschte. Ihre Stimme wurde schrill, als sie sich losmachte, leicht schwankend die Arme ausbreitete und fortfuhr:
» Klang dir Bacchus, Gott der Liebe
in dem Wein!
Sorgen fliehen fort wie Diebe,
und wie Helden glühn die Triebe
durch den Wein!« *
Eine weitere Gruppe Männer, junge Offiziere ihrer Kleidung nach, blieben stehen, und einer sagte laut und vernehmlich: » Schaut, unsere Kitschkönigin gibt die trunkene Bacchantin.«
» Ja, ein deutlicher Aufstieg von der Maria lactans zur Zechkumpanin.«
Schnaubend vor Wut sprang Bette von der Bank, strauchelte und wollte sich auf die Männer stürzen. Einer ihrer Begleiter hielt sie fest.
» Sie schäumt wie eine gut geschüttelte Champagnerflasche«, höhnte ein anderer.
» Solche Laffen wie ihr haben keinen Stil, kein Gefühl. Ihr wisst gar nichts. Nichts wisst ihr. Ich war die Heilige Katharina, ich war die Jungfrau von Orleans, ich war Aphrodite und Venus, ich war – hicks – Iphigenie und Helena!«
» Eben – sie war«, sagte einer. » Göttin, Engel, Heilige …«
» Hure«, schloss ein dritter.
Zwei ihrer Begleiter mussten die Tobende festhalten. Sie kreischte Unflat. Doch plötzlich brach sie schluchzend zusammen.
Vincent, ich roch sein Zigarrillo, näherte sich. Die jungen Offiziere nahmen Haltung an, als sie ihn bemerkten.
» Was ist hier vorgefallen, Leutnant?«
» Eine Trunkene, Herr Major. Sie hat sich als Schauspielerin aufgeführt.«
» Die haben sie beleidigt!«, empörte sich Lord Jamie.
» Bringen Sie die Dame in ihre Unterkunft. Ich werde mich mit den Herren hier unterhalten. Sie werden sich entschuldigen!«
» I hope so. Komm, Bette. Zu Bette!«
Bette wurde abgeschleppt.
Ich schloss mich Vincent an.
Der besah sich die drei Uniformierten.
» Auch wenn eine Dame in Champagnerlaune ist, meine Herren, haben Sie sie mit Anstand zu behandeln.«
» Mit Verlaub, Herr Major – das ist keine Dame.«
» Das mag sein, wie es will. Sie zu beleidigen entspricht keinem Benehmen, das Ihnen und Ihrer Uniform angemessen ist. Man weiß nie, welche Umstände einen Menschen in eine derartige Situation gebracht haben.«
» Jawohl, Herr Major.«
Die jungen Männer sahen nicht besonders glücklich aus, und Vincent hatte wieder seine ausdruckslose Miene aufgesetzt. Das Zigarillo war unter seinem Stiefelabsatz erloschen.
» Wer war die Dame?«
» Bette Schönemann, Herr Major. Malermodell.«
» Malermodell.«
» Wohnt ohne Begleitung im Haus Panorama, Herr Major. Und treibt sich abends in den Gaststätten herum.«
» Auf der Suche nach … ähm… männlicher Begleitung.«
Vincent schaute von einem zum anderen.
» So, so. Und Sie sind ihr auch schon in die Fänge geraten, nehme ich an.«
» Nein, Herr Major.«
» Doch, du Schwindler. Für dich hat sie den schönen Luigi sitzen lassen.«
Meine Ohren wurden spitz und spitzer.
Vincents vermutlich auch.
» Sie war in Begleitung von Luigi Ciabattino?«
Die
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