Die Spionin im Kurbad
Stimme war verschwunden, sie war sehr ernst geworden.
» Nun, dann sprechen Sie.«
» Ich – ähm –, liebstes Fräulein Altea, ich bin seit langen Jahren Witwer, wie Sie wissen, und – ähm …« Er schien zu merken, dass er sich in Räuspern und Stammeln zu verirren drohte, und ging zum Angriff über. » Kurzum, ich möchte Sie fragen, ob Sie gewillt wären, mir Ihre Hand zur Ehe zu reichen.«
Alteas Bein neben mir zuckte. Auch sie setzte sich sehr aufrecht hin.
» Sie erweisen mir eine große Ehre, General Rothmaler. Eine sehr große Ehre. Doch kommt Ihr Antrag mehr als überraschend für mich.«
» Ja, ja, natürlich. Und ich erwarte auch nicht sogleich eine Antwort, liebe Altea. Nehmen Sie sich Bedenkzeit. Ich werde geduldig Ihrer Entscheidung harren. Aber seien Sie gewiss, meine Bitte entspringt tiefer Zuneigung und Bewunderung. Besprechen Sie sich mit Ihrer Frau Mutter und bedenken Sie meinen Antrag selbst.«
Er stand auf, verbeugte sich und küsste ihr die Hand.
» Ähm – danke, Herr General.«
Jetzt war Altea wirklich verwirrt. Er verließ uns, und sie starrte die Tür an, die er hinter sich geschlossen hatte.
Ich machte mich durch leises Maunzen bemerkbar.
» Du liebe Zeit, Sina, was soll ich denn davon halten?«
Dass der General ein strammer Kater war.
Sie legte die Blumen auf den Tisch und rieb sich die Schläfen.
» Er ist ein ansehnlicher Mann, Sina, aber er ist älter, als mein eigener Vater es war. Oh Mann, ich war mit seinem Sohn verlobt. Jetzt bietet er mir die Ehe an. Und Mama errötet wie ein Mädchen, wenn er sich mit ihr unterhält. Ist denn die Welt verrückt geworden?«
Tja, Menschen und ihre komische Form des Zusammenlebens. Ich konnte ihr da nun auch nicht weiterhelfen.
Mama trat in den Raum und strahlte Neugier aus.
» Rosen?«
» Ja, Rosen. Du bist noch nicht ausgegangen, Mama?«
» Nein, ich musste noch einen abgerissenen Volant befestigen. Was wollte der General?«
» Mir Rosen bringen.«
» Kind!«
» Und mir einen sehr ehrenwerten Antrag machen.«
» Oh.«
» Du siehst mich noch immer um Fassung ringen, Mama.«
» Aber da gibt es doch gar keine Frage. Er ist eine wunderbare Partie. Er wird dich auf Händen tragen.«
» Pfff. Er ist dreißig Jahre älter als ich und wird bald eine willige Pflegerin benötigen.«
» Kind, du bist entsetzlich.«
» Entsetzlich realistisch. Ja, Mama, es würde uns aus unserer prekären Lage befreien, aber – ehrlich gesagt – mir steht nicht der Sinn nach einer solchen Heirat.«
» Aber du schätzt ihn. Das hast du damals schon immer gesagt.«
» Ja, ich schätze General Rothmaler. Aber als Freund, als Schwiegervater, als Berater. Für eine Ehe …«
» Liebe, Altea, ist Luxus.«
» Wer wüsste das besser als ich«, kam es leise.
Mama umarmte Altea und schniefte ein bisschen. Altea machte sich sanft los und stand auf.
» Ich mache einen langen Spaziergang. Ich brauche etwas Zeit, um meine Gedanken zu ordnen.«
Sie ließ Mama allein mit mir im Zimmer. Die setzte sich in den Sessel und kraulte mich.
» Bist hübsch und gepflegt geworden, Sina.«
» Mau.«
Dann seufzte sie.
» Ich weiß nicht, warum sie so stur ist, Sina. Es wäre so eine gute Lösung. Es ist nicht recht, dass sie unter den Dummheiten ihres Vaters leiden muss.« Sie seufzte noch mal. » Ob es was mit dem jungen Major zu tun hat?«
» Mau, mau!«
Ich rieb meinen Kopf an Mamas Bein. Hoffentlich verstand sie.
Zumindest kraulte sie weiter. Und dann sah ich einen kleinen Funken in ihren Augen aufglühen.
» Ich denke, ich werde heute mit dem Freiherrn promenieren.«
» Mau!«
Begegnung mit dem Tod
Ich begleitete sie noch bis an die Tür, aber dann beschloss ich doch, mich meinen eigenen Angelegenheiten zu widmen. Was immer Mama mit dem Freiherrn beriet, würde mir Bouchon sicher berichten können. Aber neben den Herzensangelegenheiten gab es schließlich noch zwei Mordfälle, über die es nachzudenken galt.
Wie mir Filou berichtet hatte, hatte Tigerstroem Altea recht viele Leute aufgezählt, die vorgestern zur Vernissage gekommen waren, und sie hatte eine lange Liste angefertigt. Dann hatte sie nach denen gefragt, die gestern zu Besuch gekommen waren, und vor allem jene notiert, die irgendwelche Mitbringsel dabeigehabt hatten. Das waren nicht wenige, vor allem Damen, die dem kranken Herrn, Rudolf Oppen, Gebäck in hübschen Körbchen oder Pralinen in kleinen Kästchen übergeben hatten. Darunter auch die lila Viola und die heisere Olga. Altea
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