Die Spionin im Kurbad
dann wieder in ihr Heft.
Der Schatten des Herrn im weißen Anzug fiel darauf, sie blickte hoch. Der Chevalier de Mort verbeugte sich. Sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick. Er lächelte.
Dann lehnte er sich an einen Laternenpfahl und schaute ebenfalls den Wandelnden zu. Einen kleinen Augenblick ließ Altea verstreichen, dann klappte sie energisch das Heft zu und stand auf. Mit drei Schritten war sie zu ihm gehumpelt.
» Chevalier de Mort?«
» Votre serveur, Comtesse.«
» Lassen Sie die Comtesse.«
» Wie Sie wünschen, mademoiselle. Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?«
» Wie ich herausgefunden habe, ist es Ihnen gelungen, meine Mutter an Ihren Spieltisch zu locken.«
» Ich lockte sie nicht, mademoiselle, sie besuchte unsere kleine Runde aus freien Stücken. Und sie gewann, mademoiselle.«
» Das tut nichts zur Sache. Ihre kleinen Runden sind illegal.«
» Aber mademoiselle – ein harmloser Zeitvertreib an diesem Ort voller ennui .«
» Ein kostspieliger Zeitvertreib.«
» Sicher, doch die chère maman gewann.«
» Ich sagte bereits – das tut nichts zur Sache. Ich warne Sie, Chevalier. Glücksspiel ist verboten.«
» Doch Madame spielte mit glücklicher Hand. Ich hatte den Eindruck, der Gewinn sagte ihr zu.«
Altea funkelte den Chevalier an.
» Sie ist mit Karten nicht eben geschickt, Chevalier.«
» Dennoch gewann sie.«
Sein Lächeln wurde beinahe zärtlich.
» Warum?«
» Sagen wir, ich habe eine Schuld abzutragen, mademoiselle. Und nun, mademoiselle, ergreife ich feige die Flucht, denn der junge Husar, der sich Ihnen nähert, hat ein gefährliches Glitzern in den Augen.« Der Chevalier beugte sich über Alteas Hand und küsste sie. » Besuchen Sie bei Gelegenheit unsere kleine Runde und spielen Sie mit mir, chère mademoiselle .«
» Ich spiele nicht mit dem Tod.«
» Doch, Sie spielten – und er verlor. Au revoir, mademoiselle.«
Eine weitere elegante Verbeugung, und er schritt davon. Vincent erreichte just in diesem Moment Altea.
» Was wollte er von Ihnen, Altea?«
Hui, Vincent war kurz vor dem Angriff. Das hatte der Chevalier ganz gut erkannt.
» Nichts, Vincent. Ich wollte etwas von ihm.«
» Was könnten Sie von einer derart dubiosen Gestalt wollen?«
» Unterlassung. Sie kennen ihn?«
» Flüchtig. Setzen Sie sich wieder, Altea. Ich habe mit Ihnen zu reden.«
Er führte sie zur Bank zurück und ließ sich neben ihr nieder.
» Worüber wollten Sie reden?«
» Zum einen über den Chevalier. Achten Sie auf Ihren Ruf, Altea.«
Sie knurrte leise.
» Genau darüber versuchte ich mit ihm zu reden.«
» Ist er Ihnen zu nahegetreten.«
» Nicht mir, meiner Mutter.«
» Bitte?«
Altea schnaubte leise.
» Der Chevalier hält im Hinterzimmer der Traube Glücksspiele ab. Meine Mutter hat sich abends heimlich aus unserer Pension geschlichen, um daran teilzunehmen.«
» Bitte???«
» Ich habe es gerade erst erfahren, weil sie mir von dem Geld, das sie gewonnen hat, ein Kleid gekauft hat.«
» Großer Gott.« Das Geräusch, das Vincent machte, lag zwischen einem Lachen und einem Husten.
» Sie mögen das ja komisch finden, Vincent. Ich tue es nicht. Es mag sich vielleicht bis zu Ihnen herumgesprochen haben, dass mein Vater unser Vermögen verspielt hat …«
» Und sich dann das Leben nahm. Ja, ich hörte davon.«
» An Weihnachten achtzehnsiebzig. Und nun …« Alteas Stimme versagte, und sie hob die Hand an die Lippen. Dann fasste sie sich wieder. » Wir haben alles, buchstäblich alles verloren – Haus, Einrichtung, Schmuck. Sogar der Titel ist erloschen. Wir werden zwar nicht verhungern, Mama hat ein kleines Gedinge, von dem wir uns ein Häuschen am Rand von Rathenow leisten können. Aber … gesellschaftlich sind wir ruiniert. Dies hier ist unser letzter standesgemäßer Auftritt, Vincent. Und ich … wir haben beschlossen, solange wir hier sind, nicht an die Zukunft zu denken.«
Wieder drückte sie die Hand vor den Mund, diesmal zur Faust geballt. Und ihre Augen tropften.
» Altea.«
So sanft sprach er ihren Namen aus, so voll Wärme.
» Nicht, Vincent. Nicht. Ich ertrage Mitleid so schlecht.«
» Altea.«
Er reichte ihr ein blütenweißes Tuch, und sie verbarg ihr Gesicht darin.
Warum kuschelte der Stoffel sich nicht an sie. Das machte man doch so.
Ich sprang hoch, legte mich in ihren Schoß und schnurrte. Eine Hand umfasste meinen Rücken. Na also!
» Diese Katze ist aber auch überall dabei«, murmelte Vincent.
» Sie hat eine Zuneigung
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