Die Spitze des Eichbergs
führte die Firma mit seinem Bruder Clemens, besaß zwei Schlachthöfe, 8.000 Schweinen machte er täglich den Garaus.
Doch ein Problem musste noch aus dem Weg geräumt werden: Bernd Tönnies war noch kein ganzes Jahr Mitglied im Verein und durfte daher per Satzung gar nicht als Vorsitzender gewählt werden. Also musste die Satzung zu Beginn der Jahreshauptversammlung am 7. Februar 1994 zunächst mit Zweidrittelmehrheit geändert werden (»Lex Tönnies«). Nach zweistündiger Diskussion war die Satzungsänderung bei der außerordentlichen Jahreshauptversammlung des FC Schalke 04 beschlossene Sache. Mit großer Mehrheit und per Akklamation stimmten die Mitglieder dem Antrag des Verwaltungsrates zu.
An die Schalker Zukunftsplanungen Fleisch ansetzen: Bernd Tönnies
Damit war um 21:17 Uhr der Weg für die Wahl des 41 Jahre alten Fleischfabrikanten Bernd Tönnies (»Jedes zwölfte Kotelett, das in Deutschland auf den Tisch kommt, stammt aus meinem Unternehmen«) zum Schalker Präsidenten geebnet. Um 21:35 Uhr war Tönnies dann mit überwältigender Mehrheit als Club-Chef gewählt. Sichtlich erleichtert ging Tönnies in Jubelpose ans Podium, begeistert gefeiert von den Schalker Mitgliedern, die anschließend Gesänge anstimmten. Vor seiner Wahl hatte Tönnies ein »leichtes Kribbeln im Bauch« verspürt. In seiner Vorstellungsrede betonte der neue Schalker Präsident: »Ich habe das Kandidatsein sehr ernst genommen, habe mit Bankiers gesprochen und diese gefragt, ob sie an die Ertragskraft des FC Schalke 04 glauben.«
Für die Zukunft richtete er den Appell an die Fans und an den Verein: »Wir brauchen Freundschaft innerhalb des FC Schalke 04, nur so können wir erfolgreich arbeiten.« Im kleineren Kreis wiederholte Tönnies, was er schon vorher gesagt hatte: »Ab Dienstag ist die Krise des FC Schalke 04 zu Ende.« Die ersten Schritte des neuen Schalker Präsidenten führten zur Bank, wo er mit seiner Unterschrift dafür sorgte, dass der hochverschuldete Verein (13,6 Millionen Mark Verbindlichkeiten) durch einen neuen Kredit von 1,85 Millionen wieder etwas mehr »Luft« bekam. Tönnies, der als harter Arbeiter galt, wollte den Verwaltungsrat künftig um einen Banker, einen Steuerberater (Jupp Schnu-senberg) und einen Unternehmer erweitern.
Nach der Versammlung, die insgesamt von rund 3.500 Menschen (3.006 Mitglieder) besucht worden war, blieben Zweifel, ob die Wahl von Tönnies erfolgreich angefochten werden könnte. Zwar betonten Tönnies und das offizielle Schalke, nach Rücksprache mit Juristen sei die Verfahrensweise korrekt, doch der ehemalige Vereinspräsident, Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Hütsch, stand mit seiner Meinung nicht allein, weil nach dem Vereinsrecht die Satzungsänderung erst ins Register eingetragen werden müsse, ehe der neue Präsident gewählt werden könne.
Schalke hatte nun einen Neuanfang -und das war wohl das wichtigste überhaupt. Vielleicht war es auch ganz gut, einen Mann an der Spitze zu haben, der das Geschehen um den Verein objektiver beurteilen konnte, als etwa ein Günter Siebert, der immer mit all seinen Emotionen an diesem Verein hing.
Wenn Tönnies seine Meinung durchsetzen wollte, nahm er kein Blatt vor den Mund - kein Wunder, dass auch Manager Rudi Assauer zwischendurch mit Tönnies aneinander geriet, besonders, als der Präsident Trainer Jörg Berger wegen einer unglücklichen Äußerung (»Auf Schalke ist alles möglich«) abmahnte.
Zwar brodelte es hinter den Kulissen weiter gewaltig, aber die größten Klippen wurden umschifft. Schalke schaffte mit »Feuerwehrmann« Jörg Berger tatsächlich den Klassenerhalt, und auch den befürchteten Lizenzentzug konnte Schalke umdribbeln. Eine Geldstrafe in Höhe von 500.000 Mark war quasi die Mindeststrafe und eine Belohnung für die intensive Überzeugungsarbeit, die Schalkes Funktionäre zwischen dem Herbst 1993 und dem Sommer 1994 beim DFB leisteten.
Bernd Tönnies konnte sich weder über den Klassenerhalt noch über die Lizenz oder über die Rückkehr von Olaf Thon richtig freuen. Der Gesundheitszustand von Dialyse-Patient Tönnies hatte sich dramatisch verschlechtert, am 1. Juli 1994 starb Schalkes Präsident im Alter von nur 42 Jahren an den Folgen einer Nieren-Transplantation. Schalke trauerte.
75. »GEGEN DORTMUND HABEN WIRUNS NOCH NICHT EINMAL UMGEZOGEN«
Tönnies hatte sich hier viele Sympathien erworben, weil er in einer extrem kritischen Situation das Ruder übernommen hatte. Als die Tränen getrocknet waren,
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