Die Spitze des Eichbergs
Schalke 04«. Eine Unterschrift fehlte. Nun geriet alles außer Kontrolle, und Schalke war wieder mittendrin. Oskar Siebert: »Schließlich kann jeder mit einem Bleistift irgendeinen Vereinsnamen darauf schreiben. Das ist für uns kein Beweis. Wir haben eine saubere Weste. Speziell zum Spiel gegen Bielefeld hatten wir die Kabinen hermetisch abgeriegelt, um allen Eventualitäten vorzubeugen. Und Aki Lütkebohmert hat zweimal aus 20 Metern die Latte getroffen, das kann kein Spieler, wenn er kein Tor schießen will. Sollte sich jedoch gegen einen unserer Spieler auch nur der geringste Beweis ergeben, wird er sofort ausgeschlossen. Aber noch warten wir auf Beweise aus Bielefeld.«
Die Schalker Mannschaft spielte zunächst unbekümmert weiter. Nach der 0:7-Klatsche in Gladbach fing sich die Mannschaft wieder und gewann gegen Kaiserslautern mit 3:0 (Scheer, Lütkebohmert, Erwin Kremers). Pikant wurde es aber beim nächsten Spiel, Schalke musste auf die ausverkaufte Bielefelder Alm und war am Ende froh über einen Punkt.
Ausverkauft war aber auch bereits das traditionelle Winterfest des FC Schalke 04 am 19. November im Hans-Sachs-Haus. Die Winterfeste waren immer ein ganz besonderes gesellschaftliches Ereignis, und diesmal gab es auch ein dementsprechend erlesenes Programm: Peggy March und Roberto Blan-co sowie Tänzerinnen aus dem Pariser Lido sollten für ausgelassene Stimmung sorgen. Ein besonderer Clou der Tombola war ein Zentner Hafer, gespendet vom Traber-Champion Willi Roth, der hoffte, dass ihn die Traberfreunde Klaus Fichtel, Ede Lichterfeld, Norbert Nigbur, Heinz Aldenhoven oder der Kegelclub »Lecker drin« für ihre Pferde gewinnen.
Für ganz andere Stimmung im Schalker Lager sorgte nun der ehemalige Arminen-Spieler Jürgen Neumann, der zum Kronzeugen in den Bundesligaskandal-Verhand-lungen avancierte. Neumann sagte aus, dass alle Schalker am 17. April in der Glückauf-Kampfbahn Geld kassiert hätten. Der Ex-Schalker Waldemar Slomiany sei der Überbringer und Klaus Senger der Empfänger der 40.000 Mark Bestechungsgeld gewesen. Schalkes Rechtsanwalt Walter Becker erklärte: »Wir haben unsere Spieler noch einmal befragt, diesmal einzeln, ob sie Geld genommen haben. Libuda, Fichtel, van Haaren, Lütkebohmert, Rüssmann, Sobieray und Fischer haben sämtlich verneint. Obwohl ich sie auf die Folgen einer Unwahrheit aufmerksam gemacht habe, sind alle Spieler bereit, die bereits unserem Vorstand gegebene eidesstattliche Versicherung auch beim Landgericht in Essen zu machen.« Schalke hatte sich die Vernehmungsprotokolle von Slo-miany und Senger (nun bereits bei Fortuna Düsseldorf) zukommen lassen, sie hatten ausgesagt, dass sie beide weder Geld übergeben noch angenommen hätten.
Der zweite Vorsitzende Heinrich Orzewalla (in seinen Schalker Jahren ein Schützling von Kuzorra) sagte: »Vor unserem Spiel gegen Kaiserslautern beteuerte Waldi: >Onkel Heini, Du kannst mir glauben, ich schwöre, dass ich kein Geld überbracht habe<.« Das Mitglied des Verwaltungsrates, der Alt-Internationale Berni Klodt, erklärte: »Wir glauben unseren Spielern.« Die beschuldigten Schalker Lizenzspieler erhoben sogleich Anklage gegen Jürgen Neumann wegen Verleumdung.
Unglaublich, wie die junge Schalker Mannschaft das ganze Gerede von verschobenen Spielen wegsteckte: Mit 4:1 fegte sie den vom ehemaligen Schalker Hermann Ep-penhoff trainierten VfL Bochum vom Platz. Nicht zu stoppen war an diesem Tag Aki Lüt-kebohmert, der das Spiel unermüdlich aus dem Mittelfeld ankurbelte. Schalkes Stadionsprecher legte nach dem Abpfiff eine künstliche Pause ein, bevor er das Ergebnis aus Frankfurt bekannt gab. Dann kannten die Schalker Anhänger kein Halten mehr: Bayern hatte im Waldstadion verloren und Schalke somit die Tabellenspitze zurück erobert. In Stuttgart lieferte Schalke dann sein bis dato bestes Auswärtsspiel ab. Libuda nahm eine neue Rolle ein und spielte erstmals etwas zurückgezogen. In der Halbzeitpause meinte Günter Siebert: »Unsere Jungs spielen so abgeklärt und geschickt aus der Abwehr heraus, dass ich an einen Punkt glaube.« Am Ende waren es sogar zwei.
Unaufhörlich rasselten in der Geschäftsstelle die Telefone. Hans Hörstermann und seine Mitarbeiterinnen Margot Stelter und Frau Erdmann konnten nur, bald restlos am Boden zerstört, monoton wiederholen: »Nein, für das Spiel gegen Bayern München sind keine Karten mehr vorhanden! Es ist zwecklos, ohne Karte nach Schalke zu kommen.« Siebert und seine Vorstandskollegen
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