Die Spitze des Eichbergs
lediglich um ein kurzes Aufbäumen, denn danach ging es rasant bergab: Die nächsten zwölf Spiele mit nur einem Sieg führten Schalke sogar an den Abgrund des Abstiegs in die Oberliga.
Und hinter den Kulissen rumorte es noch gewaltig. Nach Siebert war kein Nachfolge-Präsident gefunden worden. Von der langen Kandidatenliste verabschiedete sich einer nach dem anderen. Übrig blieben nur zwei: Fred Gatenbröcker, Groß-Bäcker aus Gelsenkirchen, und Michael Zylka, seinerzeit beschäftigt beim Bundesministerium für Verteidigung. Michael Zylka hatte im Vorfeld viele Gespräche mit Rolf Rüssmann geführt, der zuvor die Opposition zu Siebert bildete und sich bereits in früheren Versammlungen heftige Rededuelle mit diesem geliefert hatte. Rüssmann war ein alter Bekannter und für den Managerposten vorgesehen, Zylka dagegen war ein unbeschriebenes Blatt, und seine Rede kam überraschenderweise bei den Mitgliedern an. Am 21. November war ein »Unbekannter« mit 675 zu 528 Stimmen zum Vorsitzenden des FC Schalke 04 gewählt worden.
52. 007-LIEBESGRÜSSE AUF SCHALKE
Ein neues Gesicht auf Schalke sorgte erst einmal für Erstaunen, und so richtig über den Weg getraut hat man Zylka nicht. Die »Alteingesessenen« schmiedeten bereits Pläne, wie man den »Neuen« wieder loswerden könnte. Intrigen wurden gesponnen und zwei Tage später titelte die Bild-Zeitung: »Geheimagent als Präsident«. Zylka ein angeblicher Agent des Bundesnachrichtendienstes, der nun vielleicht sogar Schalke ausspioniert? Die wildesten Gerüchte kursierten.
Der Skandal war perfekt. Michael Zylka sah sich vermehrt Anfeindungen ausgeliefert, ein normales Arbeiten schien nicht mehr möglich zu sein. Zudem war die ganze Organisation auf Schalke ein einziges Chaos. Selbst der damalige DFB-Teamchef Franz Beckenbauer hatte in den Zeitungen verbreiten lassen, dass Schalke immer noch geführt werde wie vor dreißig Jahren.
Zylka schien überfordert. Mit so vielen Stöcken, die ihm in den Weg geworfen wurden, hatte er nicht gerechnet. So verabschiedete er sich nach drei Tagen wieder vom FC Schalke 04 und ging damit als der »Drei-Tage-Präsident« in die Schalker Geschichtsbücher ein.
»Es war ein heilloses Durcheinander«
Der »Drei Tage«-Präsident auf Schalke - Michael Zylka hat sich in den Schalker Geschichtsbüchern verewigt. Heute ist er Gesellschafter des PROKOM-Verlages und gibt die Zeitschrift »RevierSport« heraus. SCHALKE UNSER sprach mit ihm über Oskar Siebert und Günter Eichberg.
SCHALKE UNSER: Michael, in der damaligen Situation, Schalke im finanziellen und sportlichen Abstiegsstrudel, wie bist du überhaupt dazu gekommen, für das Präsidentenamt zu kandidieren?
MICHAEL ZYLKA: Ich kannte damals bereits viele Leute auf Schalke. Mit Charly Neumann und Rolf Rüssmann habe ich mich oft unterhalten, wie es mit Schalke weitergehen sollte. Und es lief wirklich einiges aus dem Ruder. Günter Siebert war zum dritten Mal zum Präsidenten gekürt worden, weil er ein super Rhetoriker war und er es immer wieder geschafft hatte, die Leute mit plakativen Sprüchen zu begeistern. Doch er war nun auch zum dritten Mal gescheitert, Schalke war in der 2. Liga und eigentlich tot. Und Schalke fehlte, was vielen Vereinen damals gefehlt hatte: Der Übergang zum echten Profi-Fußball war nie richtig umgesetzt worden, neue Konzepte mussten her. Ich hatte mich dann in die Kandidatenliste eintragen lassen, und in der Zeit vor der Versammlung trat ein Kandidat nach dem anderen zurück, unter anderem auch Siebert. Und ich bin ein Typ, wenn ich A sage, dann sage ich auch B. Ich habe es dann als einmalige Gelegenheit gesehen, den Schalkern mal zu sagen, was in der Zukunft wichtig wird: dass die Vermarktung und die Außendarstellung der Vereine immer wichtiger werden, und dass Schalke 04 endlich neue Gesichter braucht.
Der Drei-Tage-Päsident: Michael Zylka
SCHALKE UNSER: Fred Gatenbröcker war dann noch der einzige Gegenkandidat.
MICHAEL ZYLKA: Ich habe mich mit ihm vorher sehr lange unterhalten, und mein Eindruck war, dass er in seiner Auffassung sehr ehrlich war und dass er es mit Schalke auch wirklich gut gemeint hatte. Aber ich wollte damals auch zeigen, dass es noch andere Gesichter gibt. Und wenn ich eine Stärke neben meinem rhetorischen Talent habe, dann ist es, dass ich Schalker durch und durch bin. Ich bin schon als Kind durch die Zäune gekrochen und habe mit Schalke gelitten wie ein Hund. Ich bin wirklich kein Mo-de-Schalker, wie es sie heute
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