Die Spitze des Eichbergs
gutes Händchen für die Finanzen, die Schalke nun so dringend brauchte. Um so erstaunlicher, dass er dennoch eine solch respektable Mehrheit erhielt.
Waren seine Wähler etwa Taube und Blinde, Kinder, die einem Rattenfänger nachliefen? Wer sie so abstempelt, geht an der Sache vorbei. Ihre Vereinsliebe mag zwar emotionaler sein als bei anderen, ist aber in keinem Falle kritiklos. Rudi Assauer als Manager hatte sie mit seiner Politik und seinem Wirken vergrault, vom zweimaligen Abstieg ganz zu schweigen. Sie alle hatten in den letzten Jahren keine Heimat mehr gehabt, und in Günter Siebert sahen sie einen, der ihnen diese Heimat zurückbringen konnte. In Schalke hatte er vor allen Dingen stets eines: das untrügliche Gefühl für Stimmungen. Keiner hatte so die Hand am Puls des Fußballvolkes wie er. Neben diesem Instinkt besaß er ein geradezu demagogisches Redetalent. Sein Motto war einfach, aber kam an: »Schalke muss wieder Schalke werden!«
NEUER PRÄSIDENT, ALTE SORGEN
Dem Rausch der Siebert-Wahl war schon am folgenden Tag Ernüchterung gefolgt. Ein grauer Alltag voller Schulden. »Ich bin kein Wunderheiler«, bekannte der frischgeba ckene Vorsitzende, nachdem er sich mit alle finanziellen Sorgen auf einen Schlag los Schalkes Wirklichkeit der roten Zahlen ver- gewesen, doch alle waren mit Siebert einer traut gemacht hatte. Die Höhe der Verbind- Meinung: »Ehe der Olaf geht, gehe ich.« lichkeiten lag bei 5,2 Millionen Mark. Immerhin, die anderen Schalker Funktionäre, die eigentlich für eine Wahl von Prof. Meya plädiert hatten, zogen mit. Vize-Präsident Die Saison brachte Schalke dann noch mehr Herbert Schmitz, Dr. Große-Darrelmann und schlecht als recht zu Ende. Doch Rolf Rüss-Dr. Paziorek sprachen sich für eine loyale Zu- mann hatte die Gesundschrumpfung in sammenarbeit aus. Sieberts Sofortprogramm sah nun so aus: Erstens: Um die Lizenz für die kommende Saison kämpfen. Zweitens: Mit Assauer über die Modalitäten der Auflösung seines Vertrags reden. Drittens: Einen Mann für den Nachwuchsbereich und die Zukunft aufbauen. Das sollte Rolf Rüssmann werden.
Und der räumte den Laden auch gleich auf. Um das finanzielle Fiasko in den Griff zu bekommen, wurde zunächst Gerd Kleppinger an den BVB veräußert. Danach wechselte Kapitän Klaus Täuber »im Paket« mit Dieter Schatzschneider (zuvor an Fortuna Köln ausgeliehen) für eine Ablösesumme von einer Million Mark zu Bayer Leverkusen. Zuvor war bereits Jürgen Wegmann (Bayern München) verkauft worden. Die Schalker Spieler verzichteten ebenfalls auf zehn Prozent ihres Gehalts, dazu gab es eine Prämienhalbierung. Sicher wäre man mit dem Verkauf von Olaf Thon (noch Vertrag bis 1989) alle finanziellen Sorgen auf einen Schlag los gewesen, doch alle waren mit Siebert einer Meinung »Ehe der Olaf geht, gehe ich.«
Stars auf Schalke: Olaf Thon und Toni Schumacher
KURZESE GASTSPIEL
Die Saison brachte Schalke dann doch mehr schlecht als recht zu Ende. Doch Rolf Rüssmann hatte die Geldschrumpfung in Gang gestoßen. Zudem hatte er einen neuen Werbepartner mit »Dual« gefunden, der reichlich Geld in die Vereinskassen fließen ließ. Die Schulden konnten auf etwa drei Millionen Mark abgebaut werden. Doch kaum war das alles geschehen, trat wieder eine ungeheure Lässigkeit in den Verein. Spieler wurden wieder überbezahlt, merkwürdige Ablösesummen gezahlt. Rolf Rüss-mann wollte sich dafür nicht verantwortlich machen und kündigte nach fünf Monaten im Amt noch vor Saisonstart. Ein wahrlich kurzes Gastspiel. Mit Ex-Manager Rudi Assauer einigte sich der Verein auf einen Vergleich, bis zum 1. Juni 1988 sollte der Verein 350.000 Mark in Raten an ihn überweisen.
Im Aufgebot zur neuen Saison waren von zwanzig Spielern zehn Neue. Darunter Reiner Edelmann (SV Schwetzingen), Michael Klinkert (1. FC Saarbrücken), Claus-Dieter »Pele« Wollitz (Spvg. Brakel) und die spektakulärste Neuerwerbung: Harald »Toni« Schumacher. Als Schumacher 1987 seine Autobiografie »Anpfiff« veröffentlichte und darin Dopingvorwürfe gegen die Bundesliga erhob, setzte ihn der DFB als Kapitän der Nationalelf ab, und der 1. FC Köln löste den Vertrag mit seinem Torwart auf. Es gab wohl niemanden auf Schalke, der sich nicht über diesen gelungenen Schachzug freute. Thon und Toni sollten es richten.
Doch der Start ging gründlich daneben, es gab Niederlagen gegen den HSV (2:5), Hannover 96 (0:2) und den Karlsruher SC (1:4). Im Schalker Gebälk donnerte es bereits kräftig,
Weitere Kostenlose Bücher