Die Spitze des Eichbergs
ähnlichen Verbänden an, die später verboten wurden. Die Herren im Vorstand und der Zeche waren keine ausgesprochenen Gegner der Nationalsozialisten. Man passte sich halt der Situation an und verlegte sich ins Unpolitische.
Viele Arbeitersportler des ATSB wurden damals zum Übertritt in DFB-Vereine gedrängt. Sie hatten die Wahl zwischen einem Wechsel auf der einen, oder Repressionen auf der anderen Seite - falls sie das Fußballspielen nicht ganz einstellten. Schalker Spieler standen nie vor solchen Problemen. Die Absichten der NS-Machthaber waren subtil. Die Blau-Weißen sind ein Beispiel dafür, welchen Einfluss konservativ-bürgerliche Kräfte durch die Verbände wie den DFB, und die Vereinsvorstände auf große Teile der einfachen Arbeiter ausübte.
OPIUM FÜR DAS VOLIC
Vordergründig wurde der Fußball entpolitisiert um als »Opium für das Volk« zu dienen. Hintergründig nutzte aber der Staat die fußballspezifischen Eigenschaften Kampfkraft und Teamgeist propagandistisch aus, stellte sie als typisch arische Tugenden dar und wollte so die Identifikation zwischen Fußballanhängern und Nazidiktatur steigern. Indem der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten den Übertritt von ATSB-Sportlern bewusst leicht machte, beabsichtigten die Nazis auch die linksorientierte Arbeiterschaft mit Hilfe des Fußballs stärker an das Regime zu binden. Die übergetretenen Spieler versuchten oft, auf sportlichem Weg ihren Gegnern die Stirn zu bieten, um ihre persönliche Opposition weiterzuführen.
In dem Maße, wie nach und nach vom ATSB über die kommunistische »Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit« (RS) bis zur katholischen Deutschen Jugendkraft (DJK) alle Sportverbände nach der Machtergreifung ausgeschaltet wurden, biederte sich der DFB den Nazispitzen an und schaltete sich quasi selber gleich. Der DFB existierte als Fachamt Fußball im Reichsausschuss für Leibesübungen weiter. Bezeichnenderweise war der damalige DFB-Präsident Felix Linnemann SS-Obersturmbannführer.
Der Höhepunkt jeder Fußballsaison war natürlich das seit 1937 immer im Olympiastadion stattfindende Endspiel in Berlin. Die Nazis pflegten diese Finals bombastisch zu inszenieren und als arische Fußballfeste zu feiern. So wurden heroische Siege, wie der sensationelle 9:0-Erfolg Schalkes gegen Ad-mira Wien um die erste großdeutsche Fußballmeisterschaft 1939 nach dem Anschluss Österreichs gerne gesehen. Erst recht, weil große Siege deutscher Fußballarbeiter gegen Wiener Intellektuellenkicker die Euphorie und das Gefühl der Unbesiegbarkeit noch steigerte. Der 9:0-Erfolg gegen Admira Wien war Wiedergutmachung für das vermutlich geschobene Endspiel ein Jahr zuvor gegen Hannover 96.
Damals unterlagen die Schalker an gleicher Stelle nach merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen 3:4 gegen die Niedersachsen. »Es musste mal eine andere Mannschaft Deutscher Meister werden, sonst wäre es langweilig geworden. Die anderen haben ja schon richtig Angst ins Endspiel zu gehen, weil sie ja doch von Schalke geschlagen werden«, sagte von Tschammer und Osten abends auf dem Bankett.
Daraus darf resümiert werden: Die Nazis griffen in den Spielbetrieb ein und die Mannschaften waren in diesen Situationen hilflose Marionetten. Den deutschen Vereinen erging es besser als den Wiener Fuß-balldubs, die alle gleichgeschaltet wurden. Der jüdische Fußballclub Hakoah Wien wurde direkt verboten und zerschlagen, die Mitglieder verfolgt. Der »Gentleman«-Club Austria Wien, ein großbürgerlicher Intellektuellenverein mit ebenfalls vielen jüdischen Mitgliedern, wurde von den Nazis übernommen und weitergeführt. Mit Rapid Wien verfuhren die Nationalsozialisten im Prinzip ähnlich wie mit Schalke 04. Sie instrumentalisierten Rapid als gutbürgerlichen Arbeiterverein, um die linke Arbeiterschaft über den Fußball zu kontrollieren.
Die Schalker Spieler wurden im Kriegsdienst im Vergleich zu den Wiener Kickern bevorzugt behandelt. Waren die Leistungsträger der »Ostmark«, so hieß der Spielbezirk, an den Fronten in ganz Europa zerstreut und so die Meisterschaftsrunden eine Farce, so lief der Spielbetrieb im »Altreich« und bei Schalke etwas geordneter ab. Kuzor-ra und Szepan waren Feldwebel bei einer Flakeinheit für Katastropheneinsätze in Es-sen-Kray. Die Freistellungen wurden anfangs großzügig gewährt, und waren sogar ab 1942 nicht unmöglich. Die meisten Spieler standen zumindest bei Beginn des Krieges in Garnisonen in Mühlheim und Münster.
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