Die Spitze des Eichbergs
deutsche Meisterschaft gegen den traditionsreichen Dresdener SC. Die beiden Mannschaften haben sich nebenan auf dem Reichssportfeld warmgelaufen und betreten unter großem Jubel die mit Hakenkreuzen ausgeflaggte Arena, in der vier Jahre zuvor der farbige US-Sprinter Jesse Owens seine legendären Olympiasiege feierte.
Juli 1940. 1.500 Kilometer weiter westlich. Deutsche Wehrmacht und SS-Verbände säubern in Paris nach dem Blitzkrieg gegen Frankreich den Widerstand, unterdrücken die Bevölkerung. Norwegen, Dänemark, Belgien, Holland und Polen sind besetzt. Tausenden haben die deutschen Kriegsüberfälle das Leben gekostet. Die Ausrottung der Juden ist in vollem Gange.
In Oslo, Brest, Antwerpen und Warschau knistert der Volksempfänger. Überall sitzen deutsche Landser in Bunkern und Unterständen und verfolgen die Übertragung aus dem Olympiastadion der Reichshauptstadt Berlin.
Im weiten Rund der Arena ist vom Krieg nichts zu spüren. Die Spieler machen vor der Reichssportführung den Hitlergruß, und das Rundfunkorchester wird die Bilder für die Wochenschau musikalisch unterlegen. Schalke gewinnt 1:0 und erringt zum fünften Mal die Viktoria in einem der schwächsten Endspiele der letzten Jahre.
Die erfolgreichsten Zeiten des Ruhrgebietsclubs fielen in die Jahre des NS-Regimes. Sechsmal fuhren die Knappen mit der Viktoria unterm Arm zurück zum Schalker Markt. Und dennoch: Den Schalker Höhenflug als einseitige Bevorzugung und Förderung seitens der Nationalsozialisten ab-zutun, wäre zu einfach und falsch.
WAS SAGTE KUZORRA WIRKLICH?
Die Mannschaft erreichte ihre größte spielerische Reife in diesen Jahren. Aber sie stellte sich dem Regime auch nicht kritisch gegenüber. Kuzorra wird mit dem Satz zitiert: »Wir wollten Fußball spielen, mit was anderem wollten wir nichts zu schaffen haben. Politik und Religion spielten bei uns überhaupt keine Rolle.«
Aber auch die folgenden faschistoiden Aussagen von 1936 sollen von Ernst Kuzorra, dem populärsten Spieler dieser Jahre, stammen:
»Man hat manchmal gefragt, warum gerade eine Arbeitermannschaft aus dem Industrieort Schalke den höchsten Ruhmestitel, den der deutsche Fußball zu vergeben hat, errang. Arbeiter aber, meine ich, ist ein stolzes Wort. Gerade hier im Gebiet, und Gott sei Dank heute überhaupt wieder in Deutschland! Jeder Deutsche, der seine Pflicht tut, sei es an höchster, sei es an geringster Stelle, ist in dem neuen, weiten, echten Sinne des Wortes ein >Arbeiter<. Der studierende Mensch ist noch zu sehr der Fragende, um die antwortfrohe Entschlossenheit aufzubringen, auf die es im Sport, wie nebenbei auf anderen Gebieten, zum Beispiel der Politik - welchen Beweis liefert hier allein schon Adolf Hitler - vielleicht zu allererst ankommt.«
Und sein Schwager Fritz Szepan wird von den gleichen Autoren anlässlich der Fuß-ball-WM 1934 in Italien zitiert: »Für uns, ganz besonders für mich, kam nun ein unvergesslicher Augenblick: Ich stand vor Mussolini, Auge in Auge mit dem Duce, oben wehten die Fahnen des Reiches.
Arbeiter ist ein stolzes Wort: Ernst Kuzorra.
Das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied schwang über den Platz. In dieser Stunde! Versteht ihr, dass das ans Herz geht?«
Waren also die berühmtesten Schalker aller Zeiten den Nationalsozialisten doch näher verbunden, waren sie Nazis?
Der Schalke-Experte Hans-Dieter Baroth meldet dagegen massive Zweifel an: »Der Sprachduktus und der klare Satzbau Ernst Kuzorras irritieren. Der sprach doch nie so. Die Fußballstars von damals und heute erzählten den Journalisten in langen Gesprächen ihr Leben, die Autoren gössen das Erzählte in eine journalistische Fassung. Da könnte Kuzorra Einiges in den Mund gelegt worden sein.«
Und so auch Fritz Szepan. Auch die ablehnende Haltung Kuzorras gegenüber dem Reichstrainer Dr. Otto Nerz spricht gegen die Vermutung, dass der Arbeiterkicker Anhänger arischen Gedankengutes war.
Gesichert hingegen erscheint die Erkenntnis, dass Fritz Szepan von der Arisierung eines jüdischen Textilhauses in Gelsenkirchen profitiert hat, welches er zu einem Preis weit unter Marktniveau erwerben konnte. Dies war unter anderem auch der Grund, dass er nicht mehr als Namenspatron für eine Straße in Gelsenkirchen in Frage kam.
Sicher ist auch, dass die NS-Sport-funktionäre dem Club keine größeren Steine in den Weg legten. Schalke war immer in bürgerlichen Sportverbänden organisiert und gehörte nie dem linken »Arbeiter Turner u. Sportbund« (ATSB) oder
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