Die Sprache der Macht
Jahre fortwirken und den dringenden Wunsch einpflanzen, sich bei Gelegenheit zu revanchieren. Soweit man hört, geschieht es immer wieder, dass solche „alten Rechnungen“ beglichen werden.
Wer strategisch ausrastet, der achtet daher auch darauf, den anderen nicht öffentlich bloßzustellen. Daher dürften die bei weitem meisten Wutanfälle hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Demütigung dringt nicht nach außen und lässt sich daher leichter wegstecken. Man redet nicht darüber. Das ist meist im Interesse beider Seiten: Die eine will nicht als hilfloses Opfer erscheinen, die andere nicht als tobender Tyrann.
Wenn der Wutausbruch öffentlich stattfindet, dann gilt erst recht die Devise: Lautstärke vor inhaltlicher Schärfe. Das zeigt im Übrigen auch der legendäre Ausraster von Fußballmanager Uli Hoeneß, der auf der Jahreshauptversammlung von Bayern München mit hochrotem Kopf die Fans anging.
„Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alle finanziert?!“
Uli Hoeneß war stark erregt. Doch wenn man seine Aussagen nachliest, muss man feststellen: An keiner Stelle beleidigt er die Fans. Wenn seine Wortwahl mitunter etwas drastisch wird, so greift er entweder Formulierungen der Gegenseite auf („Scheißstimmung“) oder er bezieht die Aussage auf sich selbst und den Vorstand („wir reißen uns seit vielen Jahren den Arsch auf“). So gesehen ein geradezu mustergültiger Ausraster.
Die Beherrschung verlieren
Sehr viel riskanter ist es, wenn man tatsächlich die Beherrschung verliert und buchstäblich „außer sich“ ist vor Zorn. Namentlich drohen drei Gefahren:
Jedes Maß geht verloren, Personen werden wider Willen verletzt, mit denen man zusammenarbeiten soll. Wer die Beherrschung verliert, kann untragbar werden.
Wer sich so wütend zeigt, verwandelt sich in eine komische Figur, die außerstande ist, einen vernünftigen Gedanken zu äußern, und verliert an Respekt. Ein geschickter Kontrahent setzt ihn umgehend ins Unrecht.
Richtet sich der Zorn auf Personen, die einen vergleichbaren (oder sogar höheren) Status haben, droht die Auseinandersetzung aus dem Ruder zu laufen.
Zwar kann ein Wutanfall ungeahnte Kräfte entfesseln. Das Problem ist jedoch, dass sich diese Kräfte nicht steuern lassen, wenn die Beherrschung verloren ist. Sehr leicht wenden sie sich gegen eigene Interessen. Der Wütende verwandelt sich in ein geiferndes Scheusal oder macht sich lächerlich, wenn er sich wegen irgendeiner Lappalie nicht mehr einkriegt. Mit so jemandem möchte man nicht gerne zusammenarbeiten. Man meidet ihn, wo man kann.
Nun sind manche Führungspositionen durchaus noch mit Cholerikern besetzt. Sie sitzen dort aber nicht, weil sie leicht reizbar sind, sondern obwohl sie es sind. Es fehlt ihnen nämlich eine elementare Voraussetzung, um Menschen zu führen: die Selbstkontrolle. Wer andere leiten möchte, der muss als erstes lernen, sich selbst zu beherrschen.
Und es gibt durchaus Menschen, die diese Schwäche ausnutzen. So jemand stichelt und provoziert, bis der andere explodiert und sich unmöglich macht – vorzugsweise in aller Öffentlichkeit oder wenn wichtige Personen anwesend sind. Dabei sorgt der Stichelnde dafür, dass seine Provokationen vom Publikum nicht bemerkt oder als „Scherz“ aufgefasst werden. Womöglich hat er den Betreffenden vorher schon ein wenig geärgert oder er weiß genau, auf welche Bemerkung er anspringt.
Der Wutausbruch ist für die anderen dann nicht nachvollziehbar, die ihn mindestens für eine Überreaktion halten. Damit setzt sich der Provozierte selbst ins Unrecht, gleichgültig, ob er die besseren Argumente hat. Das Publikum wird misstrauisch und versucht sich einenReim auf sein Verhalten zu machen. Im Übrigen muss nicht immer Absicht dahinterstecken, wenn jemand einen anderen bis zur Weißglut reizt. Unter Nervensägen und Querulanten gibt es echte Naturtalente, denen man am besten mit Gelassenheit begegnet.
Der wunde Punkt
Frau Augustin leitet souverän die Teamsitzung. Alle Tagesordnungspunkte hat sie gewissenhaft vorbereitet und sorgt mit ihrer Moderation für zügige und durchdachte Entscheidungen. Nur Herr Schlickmann stellt sich immer wieder quer und stimmt grundsätzlich gegen jeden Antrag. Beim nächsten Tagesordnungspunkt meldet sich wieder Herr Schlickmann zu Wort und wendet sich ein weiteres Mal gegen den Vorschlag von Frau Augustin. Die reagiert unvermittelt grob: „Jetzt halten Sie doch mal den Mund! Ich habe mir schon etwas dabei gedacht, den
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