Die Sprache der Macht
trifft mehr oder minder stark auch auf alle anderen Gegenstrategien zu. Sie haben ihre Berechtigung, um sich bei dominanten Fragen zu behaupten.
Die Wutprobe
„Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“ – Aristoteles
Wer laut wird, dem gehen die Argumente aus. Und wer brüllt, der hat nun sowieso schon mal Unrecht, heißt es. Die Beherrschung zu verlieren, gilt als Zeichen von Schwäche, ja, von Versagen. Wer, wie der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann, immer wieder ausrastet, verspielt seine Reputation und erscheint therapiebedürftig. Wer andere führen will, der muss sich selbst im Griff haben.
Das ist richtig, und doch ist es nicht die ganze Wahrheit. Wer auf den Tisch haut, seine Mitarbeiter und Kollegen zusammenstaucht, der muss keineswegs schwach oder unfähig sein. Im Gegenteil, auf diese Weise demonstriert er seine Dominanz oder stellt sie im Handumdrehen wieder her. Wem „der Kragen platzt“, der lässt buchstäblich niemanden mehr mitreden. Er degradiert alle anderen zu bloßen Befehlsempfängern. Und niemand hat ihm etwas entgegenzusetzen.
Der Sozialpsychologe Brad Bushman von der Universität Michigan hat herausgefunden, dass der wohldosierte Wutanfall durchaus das Ansehen erhöhen kann. Wer gelegentlich auf den Tisch haut, setzt sich durch. Zudem wird er als stark und mutig empfunden. Das bestätigen auch Forschungen der Psychologin Larissa Tiedens von der Universität Stanford. Demnach halten wir Menschen, die ihren Ärger nach außen kehren, nicht nur für stark und klug. Wir schreiben ihnen sogar einen größeren Gerechtigkeitssinn zu – wenn der Ärger in unseren Augen berechtigt ist.
Das mag uns nicht gefallen. Denn jeder Wutausbruch bedeutet doch eine tiefe Demütigung für alle, die ihn über sich ergehen lassen müssen. Womöglich werden Beziehungen ramponiert, die zuvor von gegenseitigem Respekt getragen waren. Die Verletzungen können so weit gehen, dass sich loyale Mitarbeiter innerlich verabschieden oder sogar kündigen. Unter Umständen erwirbt sich derjenige, der auf den Tisch haut, aber auch Respekt. Denn es kommt ganz darauf an, wie der vermeintliche Gefühlsausbruch eingebettet wird und welchen Verlauf er nimmt.
Der strategische Ausraster
Wer schnell wütend wird, ist keineswegs im Vorteil. Das Gegenteil ist richtig – zumindest solange man dabei nicht die Beherrschung verliert: Von so besonnenen Führungskräften wie dem Altkanzler Helmut Schmidt und dem Fußballmanager Uli Hoeneß wissen wir, dass sie ihre Wutausbrüche im voraus recht kühl kalkuliert haben. Während sich Hoeneß durchaus in der Öffentlichkeit in Rage redete, ließ Schmidt vornehmlich hinter verschlossenen Türen Dampf ab.
In beiden Fällen aber hatte der Ausbruch ein klares Ziel: Ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Meinung wurde als absolut nicht hinnehmbar gekennzeichnet. Hier hört der Spaß auf. Wer sich so etwas herausnimmt, muss mit unangenehmen Konsequenzen rechnen: nämlich vom Chef persönlich vor allen andern angebrüllt zu werden. Dabei empfinden diese andern durchaus eine gewisse Machtlosigkeit, denn solange der Chef „tobt“, ist kein vernünftiges Wort möglich.
Eines ist hier entscheidend: Der Wutausbruch muss nachvollziehbar sein. Irgendjemand hat sich einen groben Schnitzer erlaubt, hat die Abteilung blamiert oder sich Kompetenzen angemaßt, die ihm nichtzustehen. Bemerkenswerterweise führen gar nicht so häufig ein Fehler oder Versagen zu einem strategischen Wutausbruch, sondern eine gewisse lässige, sorglose Haltung. Man nimmt den Chef nicht mehr ganz so ernst, hat Mittel und Wege gefunden, sein „eigenes Ding zu drehen“ – dann sieht sich der Chef gezwungen, auf den Tisch zu hauen und seine Mitarbeiter „in den Senkel zu stellen“. Seine Autorität wird herausgefordert, also schreitet er ein.
Sprache der Macht im Alltag: Laut, aber nicht verletzend
Wer strategisch ausrastet, der kann zwar laut werden und sich erregen, doch wird er darauf achten, niemals persönlich oder beleidigend zu werden. Sein Machtmittel ist die Lautstärke. Inhaltlich kann so ein strategischer Wutausbruch geradezu moderat gehalten sein und dennoch seine Wirkung zeigen.
Man muss es deutlich hervorheben: Wer unter die Gürtellinie schlägt, der bekommt ein Problem. So etwas merkt sich der Betroffene. Verletzungen dieser Art können noch
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