Die Sprache der Macht
ist das gleiche. In der Frage steckt eine negative Unterstellung. Sie wirkt in der Regel dann, wenn drei Dinge beachtet wurden:
Die Unterstellung braucht einen realen Hintergrund. Es muss tatsächlich etwas schief gelaufen sein, das nur ein wenig zugespitzt und dem anderen angelastet wird.
Eine drastische Wortwahl („vergeigt“, „hirnverbrannt“) schadet dabei. Sie kostet Glaubwürdigkeit und Sympathien.
Unterstellungsfragen sind besonders wirksam, wenn Publikum dabei ist.
Normalerweise wird der Gesprächspartner die negative Unterstellung schon bemerken. Die Frage ist nur, wie hilflos er ihr ausgeliefert ist.
Manche verfallen regelrecht in eine Schockstarre, andere reagieren beleidigt oder empört. In allen drei Fällen kann der Fragende seinen Vorteil daraus ziehen. Denn seine Unterstellung wird weder durch Schockstarre, Beleidigtsein noch durch Empörung entkräftet. Nein, auch durch die Empörung nicht. Denn wenn sein Gegenüber die Unterstellung entrüstet zurückweist, zieht er den zweiten Pfeil aus dem Köcher, eine vernichtende Suggestivfrage: „Wollen Sie etwa behaupten, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist? / …, dass in Ihrer Abteilung eitel Sonnenschein herrscht / …, dass sich Frau Eimler ihre Vorwürfe nur ausgedacht hat?“
Die Überreaktion wird genutzt, um den anderen mit dem Gegenteil zu konfrontieren: Unterstellt der Frager Chaos, schiebt er dem anderen nun das Bild harmonischen Friedens unter. Unterstellt er Habgier, lässt er ihn nun als „Sinnbild der Bescheidenheit“ auftreten. Unterstellt er Unvermögen, spricht er jetzt von „hoher Professionalität“: „Wollen Sie etwa behaupten, Ihre Mitarbeiter haben hochprofessionell gearbeitet?“ Auf dieses unrealistische Idealbild kann sich der andere natürlich nicht einlassen. Tut er es doch, macht er sich unglaubwürdig. Er muss dem dominanten Fragesteller also ein gutes Stück entgegenkommen: „Natürlich ist nicht alles glatt gelaufen …“ Seine Position ist entscheidend geschwächt. Der Fragende hat die Oberhand gewonnen.
Die magische Suggestivfrage
Sie gilt als etwas anrüchig und wer sie stellt, der scheint sich selbst ins Unrecht zu setzen: die Suggestivfrage. Sie muss nicht einmal beantwortet werden. Die Feststellung „Das ist eine Suggestivfrage“ scheint völlig ausreichend, um sie abzuwehren. Dennoch muss man feststellen: Suggestivfragen können ungemein wirksam sein. Werden sie geschickt eingesetzt, sind sie nahezu unschlagbar.
Das Erfolgsgeheimnis der Suggestivfrage: Sie knüpft an Gemeinsamkeiten an, die von den Beteiligten nicht in Frage gestellt werden, oder sie unterstellt gemeinsame Interessen, die sich nur schwer bestreiten lassen. Einer gut gewählten Suggestivfrage zu widersprechen, scheint kaum möglich. Man würde sich außerhalb des gemeinsamen Wertesystems stellen – zumindest hat es ganz den Anschein.
Von der Form her ist die Suggestivfrage eine Vergewisserung: „Sie wollen doch wohl nicht etwa behaupten …?“, „Sie werden doch wohl nicht etwa bestreiten …?“ Und dann folgt der (manchmal nur vermeintliche) Konsens. Der Kunstgriff besteht darin, dass der Gesprächspartner diese Gemeinsamkeit kaum bestreiten kann, ohne zumkrassen Außenseiter zu werden. Das ist bedrohlich. Also wird er schweigen oder eine Erklärung folgen lassen, die im Unterschied zur simplen Logik der Suggestivfrage furchtbar kompliziert klingt.
Das ist nämlich die zweite Variante der Suggestivfrage. Geht es im genannten Fall um (gemeinsame) Werte, so geht es in dieser Version um pure Bequemlichkeit. Was das Gegenüber möchte, verursacht Unannehmlichkeiten, Umwege, Verzögerungen, Komplikationen: „Sie wollen doch wohl nicht etwa die ganze Diskussion von vorne beginnen?“ / „Sie wollen doch wohl nicht unsere Einigung wieder aufkündigen?“ / „Sie wollen doch wohl nicht den mühsam erreichten Kompromiss in Frage stellen?“
Auch Suggestivfragen entfalten oft eine weit stärkere Wirkung, wenn Publikum anwesend ist. Wer eine solche Frage stellt, spekuliert darauf, dass die Zuhörer auf seiner Seite sind. Entweder, weil sie die Werte teilen, auf die er anspielt, oder weil sie auf drohende Verzögerungen („Sollen wir das wirklich bis zum Ende ausdiskutieren?“) mit Unmut reagieren. Darüber hinaus werden Suggestivfragen vor allem von Statushöheren eingesetzt. Sie können solche Fragen nämlich sehr viel ungefährdeter stellen. Kaum jemand wird es wagen, ihnen zu widersprechen. So ersetzen Suggestivfragen
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