Die Sprache der Macht
nachfolgenden Äußerungen darauf ausgelegt, weitere Gesichtspunkte in die Debatte einzubringen und die erste Stellungnahme zu korrigieren, ja, ihr zu widersprechen.
Für einen dominanten Machtmenschen ist das eine zutiefst beunruhigende Vorstellung. Zumal wenn sich herausstellen könnte, dass der nachfolgende Redner in der Sache auch noch Recht hat! Also wartet der dominante Teilnehmer ab, prüft auch ein wenig die Windrichtung des Gesprächs, um derjenige zu sein, der es zum Abschluss bringt.
„Wir haben jetzt lange genug diskutiert“
Es geht um die Frage, ob zu einem Thema eine Projektgruppe ins Leben gerufen werden soll. Das Gespräch geht schon eine Weile hin und her. Der Chef, Herr Kehrer, hat sich bislang nicht daran beteiligt. Schließlich ergreift er das Wort: „Ich finde, wir haben jetzt lange genug diskutiert. In unserem Gespräch ist ja deutlich genug geworden, dass die Projektgruppe überflüssig ist. Ich schlage vor, wir stimmen darüber jetzt ab: Wer ist dafür, keine Projektgruppe einzusetzen?“ Fast alle Finger zeigen nach oben.
Solche Schlusspunkte verfehlen selten ihre Wirkung. Dabei ist es gar nicht erforderlich, dass der betreffende Punkt tatsächlich „deutlich geworden“ ist, solange nur ausdauernd genug darüber gesprochen wurde. Dann dreht sich die Diskussion ohnehin meist im Kreis, verliert sich in Nebenaspekten, Mutmaßungen und Meinungsäußerungen. Wer in dieser Situation beherzt dazwischengeht, kann eine beachtliche Eigendynamik für sich nutzen. Sogar wenn einzelne widersprechen, in der Regel werden sie niedergestimmt.
Zwei Regeln muss er dabei freilich beachten: Seine Schlussfolgerung muss natürlich nachvollziehbar sein. Er kann nicht seine Meinung als Gruppenkonsens ausgeben, wenn die Diskussion offensichtlich anders verlaufen ist. Und zweitens ist diese Strategie vor allem dann von Erfolg gekrönt, wenn er oder sie bereits die Person mit dem höchsten Status ist, die Chefin, der Teamleiter, das Oberhaupt der Gruppe. Auch als Gleicher unter Gleichen kann man womöglich den nötigen Drive erzeugen. Hat man es dagegen mit Teilnehmern zu tun, deren Status über dem eigenen liegt, ist ein solches Vorgehen höchst kontraproduktiv. Denn damit fordert man alle Statushöheren heraus – was ja auf jedes dominante Verhalten zutrifft.
Auch für statusniedrigere Teilnehmer kann es oft eine gute Taktik sein, sich nicht zu früh zu Wort zu melden – es sei denn, sie schlagen den „ersten Pflock“ ein. Ansonsten aber kann man feststellen, dass viele Beiträge in einem Meeting einfach untergehen, Gedanken und Vorschläge nicht aufgegriffen werden und Meinungen weniger Gewicht bekommen, wenn sie zu früh in die Debatte geworfen werden.
Sprache der Macht im Alltag: Rezenzeffekt nutzen
Aus der Wahrnehmungs- und Lernpsychologie kennen wir den so genannten Rezenzeffekt. Er besagt, dass die zuletzt geäußerten Inhalte weit besser im Gedächtnis haften bleiben. Gerade in einer Situation, in der viele unterschiedliche Informationen zusammenkommen, von denen die meisten vergessen werden, ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Die Stärke der späten Einmischung
Nun gibt es durchaus dominante Gesprächsteilnehmer, die ständig das Wort ergreifen, die Beiträge der anderen kommentieren und dauernd im Mittelpunkt stehen. Nur hat dieses „Powerplay“ einen hohen Preis. Es kostet sehr viel Energie – und sehr viel Sympathie. Wir schätzen es einfach nicht, wenn sich jemand permanent in den Vordergrund spielt (→ S. 90, „Dominanz durch Redezeit“). Unter solchen Voraussetzungen haben wir auch wenig Neigung, uns sonderlich für das Gespräch zu engagieren. Im Ergebnis kommt bei solchen monologischen Sitzungen sehr wenig heraus.
Ganz anders, wenn sich die dominanten Alphatiere erst einmal zurückhalten und gar nichts sagen. Selbstverständlich heißt das nicht, dass sie keinen Einfluss nehmen. Im Gegenteil: Wenn ein anderer Teilnehmer das Wort ergreift, achtet er nur zu genau darauf, wie seine Ausführungen von denen aufgenommen werden, auf die es am Ende ankommt. Runzelt der Geschäftsführer die Stirn? Huscht ein Lächeln über das Gesicht der Chefin?
Wer auf der Klaviatur der Dominanz zu spielen versteht, lässt sich wenig anmerken und erhöht damit die Spannung. Diese Spannung arbeitet für denjenigen, der hier untergründig dominiert. Während der Vielredner allen auf die Nerven geht, schlägt sie der Schweiger in seinen Bann. Manche steigern den Effekt noch, indem sie am
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