Die Sprache der Macht
begünstigt und den Ruf des Landes schwer beschädigt hat.
Die „anderen“ dienen als Kontrastfolie. Ihnen werden negative Eigenschaften zugeschrieben, niedere Motive unterstellt, ihre Erfolge verdanken sie dem Zufall oder bedenklichen Tricksereien, wenn nicht sogar Betrug im Spiel ist. Sie sind verantwortlich für die Schwierigkeiten, in denen „wir“ stecken. Sie sind unfähig, aber mächtig. Sie haben einflussreiche Gönner. Und sie mögen „uns“ nicht, ja, sie betrachten „uns“ als ihre Feinde. Dabei hätten „wir“ ihnen die Hand gereicht. Denn „wir“ sind in jeder Hinsicht die besseren Menschen. Oder um eine weitere moralische Umdrehung fortgeschritten: „Wir“ bilden uns nichts auf unsere Erfolge ein, sind selbstkritisch und sehen unsere Fehler, während die anderen für ihre eigenen Defizite blind sind und auf uns ihren Hass speien. Um die Welt wäre es besser bestellt, wenn alle so wären wie „wir“ und es „die anderen“ gar nicht gäbe – so lauten in etwa die Botschaften.
Leider sind sie außerordentlich wirksam. Offenbar besteht ein tief verwurzeltes Bedürfnis, die eigene Gruppe auf- und alle anderen abzuwerten. Solange sich die Sache darauf beschränkt, die eigenen Leute hinter sich zu scharen, wird man bei der Sprache der Macht solche etwas selbstgerechten Manöver in Kauf nehmen müssen. Gelegentlich wird die Angelegenheit auch dadurch entschärft, dass den „anderen“ kurzzeitig Anerkennung gezollt wird, ehe man wieder zum Tagesgeschäft übergeht und sich auf Kosten der anderen aufwertet. Das mag noch so hingehen. Schließlich spornt es die Mitglieder einer Gruppe auch an, sich anzustrengen und die „anderen“ zu übertreffen.
Doch besteht ein erhebliches Risiko, dass die Sache aus dem Ruder läuft und die „anderen“ als Ursache alles Schlechten herhalten müssen. Sie werden zu Feinden erklärt. Doch mit Feinden ist keine Verständigung mehr möglich. Ein solches Feinddenken ist überraschend schnell zu mobilisieren. Und es ist außerordentlich destruktiv. Betrifft es eine kleine Gruppe, läuft sie Gefahr, sich völlig zu isolieren oder auch zu radikalisieren. Der Ideologie von Terrorgruppen liegt immer ein ausgeprägtes Feinddenken zugrunde. Allerdings kann jede Gruppe davon erfasst werden, auch und gerade die gesellschaftliche Mehrheit, die nicht immer nachsichtig mit ihren „Abweichlern“ verfährt.
Sogar wenn einem die bedenklichen Seiten dieser Methode vollkommen bewusst sind, ist es ungeheuer schwer dagegen anzukommen. Wer auf dieser Klaviatur zu spielen versteht, hat häufig einen Vorteil und sichert sich den Rückhalt seiner eigenen Leute. Daher schüren manche aus rein taktischen Gründen Ressentiments gegen die „anderen“, um den eigenen Laden zusammenzuhalten.
Die „Achse des Bösen“
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 prägte der amerikanische Präsident George W. Bush das Schlagwort von der „Achse des Bösen“. Damit waren Staaten gemeint wie der Irak, der Iran und Nordkorea, die auf unterschiedliche Weise mit Terroristen im Bunde stehen und den Weltfrieden bedrohen sollten. Dabei knüpfte Bush an das wirkungsmächtige Schlagwort vom „Reich des Bösen“ an, mit dem Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren die Sowjetunion bezeichnet hatte.
Vom Wir zum Ihr
Die große Stärke des „Wir“ besteht machttechnisch gesehen darin, dass man sich selbst hemmungslos aufwerten kann, ohne die Abneigung der anderen auf sich zu ziehen. Denn sie sind ja immer mitgemeint und werden es gerne hören, wenn ihnen schmeichelhafte Eigenschaften angedichtet werden. Auf diese Weise versuchen etliche in die Rolle des Bestimmers hineinzuwachsen. Denn die Botschaft lautet selbstverständlich: Wir sind so großartig, weil ich an der Spitze stehe. Doch die Sprache der Macht kann noch einen bemerkenswerten Schritt weiter gehen: Anstatt nur das wohlige „Wir-Gefühl“ zu beschwören, wird der Ball ganz in das Feld derjenigen befördert, die man führen will. Aus dem „Wir“ wird ein „Ihr“.
Jemand, der diese Technik virtuos beherrscht, ist US-Präsident Barack Obama. Dabei stellt er zunächst als Grundierung das „Wir-Gefühl“ her: Wir wollen dieses, wir meinen jenes. Wir haben genug von noch etwas anderem. Aber dann tritt der Redner plötzlich beiseite und lässt uns gewissermaßen allein: „Ihr“ wollt dieses und meint jenes und habt genug von etwas anderem. Ist die Sache gut vorbereitet, ist dieser Kunstgriff außerordentlich
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