Die Sprache der Macht
Präsident seine Rede auf Englisch hielt und nur diesen einen Satz in deutscher Sprache äußerte – und das gleich zweimal: „Ich bin ein Berliner.“
Die eigene Gruppe aufwerten
Bloß die Zusammengehörigkeit zu betonen, bleibt für eine zupackende Sprache der Macht zu unverbindlich. Die eigene Gruppe, das „Wir“, muss aufgewertet werden. Bildlich gesprochen: Es genügt eben nicht, (sprachlich) einen Club zu gründen. Man muss auch dafür sorgen, dass die Angesprochenen ihm unbedingt beitreten wollen. Denn die Führung will der Sprecher nach Möglichkeit selbst übernehmen.
Dabei gibt es vielfältige Möglichkeiten, die eigene Gruppe aufzuwerten. Einige haben wir schon kennen gelernt: Etwa wenn Kennedy „alle freien Menschen“ zu „Bürgern Berlins“ erklärt, dann gilt diese Aussage nun erst recht andersherum: Alle Bürger Berlins sind freie Menschen, ja, sie sind das Sinnbild für Freiheit. Denn die Freiheit ist es, die überhaupt die realen Bewohner Berlins und die freien Menschen in aller Welt zu dieser Gruppe vereint. Aber auch Herr Peukert aus unserem Beispiel von Seite 114 wertet seine Gruppe auf, wenn er darauf hinweist, das „wir“ uns „hohe Ziele“ gesteckt haben. Die Mitarbeiter dürfen sich als Teil eines leistungsbereiten Teams betrachten. Die Aufwertung der eigenen Gruppe, die erfolgt, indem man ihr herausragende Leistungen zuschreibt, ist sehr beliebt. Weitere typische Beispiele:
Die moralische Aufwertung: Wir handeln gut, setzten uns für Schwächere ein oder halten wichtige Werte hoch.
Die intellektuelle Aufwertung: Wir sind klug, gebildet, kritisch und durchschauen komplexe Zusammenhänge.
Die charakterliche Aufwertung: Wir sind sympathisch, aufgeschlossen, selbstkritisch, humorvoll, zuverlässig oder bescheiden.
Entscheidende Voraussetzung, dass die Aufwertung funktioniert: Die Angesprochenen möchten sich selbst gerne so sehen. Die „Wir-Botschaften“, die Barack Obama während des Wahlkampfs um die Präsidentschaft aussandte, waren auch deshalb so zündend, weil darin das Bild eines „anderen Amerika“ zum Vorschein kam: „Wir“ sorgen uns um die Schwachen in der Gesellschaft, wollen den Krieg im Irak und in Afghanistan beenden und betrachten den Klimawandel als globale Bedrohung. Bemerkenswerterweise grenzt er niemanden aus (zumindest so gut wie niemanden – wir kommen gleich darauf zu sprechen). Die Nation spalten, das lastet er seinen politischen Gegnern an. Obama will sie alle zusammenführen: „Ob wir reich sind oder arm, schwarz oder weiß, Latino oder Asiate, ob wir aus Iowa stammen oder New Hampshire, Nevada oder South Carolina, wir sind bereit, dieses Land in eine völlig neue Richtung zu führen.“
Damit führt Obama eine weitere machtvolle Variante vor. Denn die „Wir-Gruppe“ kann schlicht dadurch aufgewertet werden, dass ihr viele angehören. Von einer solchen Gruppe kann ein regelrechter Sog ausgehen. Wer ihr nicht angehört, macht sich zum Außenseiter – und das wollen „wir Menschen“ als die sozialen Wesen, die wir sind, unbedingt vermeiden. Wie der Sozialpsychologe Robert Cialdini beobachtet hat, ist der Wunsch, sich so zu verhalten wie diejenigen, die uns ähnlich sind, ein sehr starkes Handlungsmotiv, das uns vielfach gar nicht bewusst ist.
Das Experiment mit den Hotelhandtüchern
In sehr vielen Hotels befindet sich im Badezimmer ein Schild mit dem Hinweis, dass es aus Umweltschutzgründen besser wäre, die Handtücher nicht täglich zu wechseln. Wenn der Gast es dennoch wünsche, solle er das Handtuch auf den Boden legen. Cialdini und seine Kollegen fügten nun in einigen Hotelzimmern den Hinweis hinzu, dass die Mehrheit der Hotelgäste die Handtücher mehrmals nutze. In diesen Zimmern verhielten sich erheblich mehr Gäste umweltbewusst. Dabei gaben sie als Grund für ihr Handeln aber nicht an, dass sie sich von der Mehrheit hatten beeinflussen lassen.
Die Kehrseite: die anderen abwerten
Wer „wir“ sagt, der schafft augenblicklich die Gruppe der „anderen“, derjenigen, die nicht dazugehören. Und die werden im Allgemeinen abgewertet. Zwar gilt das als ziemlich anrüchig und schäbig, aber es kommt kaum jemand darum herum. Nicht einmal der rhetorisch brillante Allesumarmer Barack Obama konnte auf dieses Stilmittel völlig verzichten: Die „anderen“, das sind steuerbegünstigte Firmen, die ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, die Zyniker, die der Mutlosigkeit das Wort reden, der politische Gegner, der die Vermögenden
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