Die Sprache der Macht
Standpunkt noch einmal zusammenzufassen. Diese Mittel können Sie natürlich ebenfalls nutzen, um Ihr Gegenüber in Ihrem Sinne zu beeinflussen. Aber dabei handelt es sich nicht um die Kernbotschaft; und sie gehören auch nicht zum Arsenal der Sprache der Macht.
Die einfache Botschaft gewinnt
Kernbotschaften sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie einfach sind. Wer differenziert, hat schon verloren, könnte man die Sache polemisch zuspitzen. Das mag uns nicht gefallen. Denn wer stark vereinfacht, wird der Angelegenheit, um die es geht, nicht gerecht. Darüber sind wir uns als Zuhörer vielleicht sogar im Klaren, dennoch bevorzugen wir die einfachen, schlichten Botschaften. Sie ersparen uns Denkarbeit. Und nicht weniger wichtig: Sie sorgen für Eindeutigkeit.
Daraus ergibt sich ein gewisses Dilemma: Gerade wenn wir uns tief in ein Thema eingearbeitet haben, sträuben wir uns gegen allzu starke Vereinfachung. Wir haben das Gefühl, die Sache ein wenig zu verfälschen. Sind wir gar Experte auf diesem Gebiet, haben wir womöglich einen Ruf zu verlieren, wenn wir allzu simple Botschaften in die Welt posaunen. Tatsächlich kann unsere Reputation Schaden nehmen, wenn die Fachwelt über unsere Ansichten die Nase rümpft.
Auf der anderen Seite nützt es uns gar nichts, wenn wir im Wettstreit der Meinungen stets den Kürzeren ziehen, weil sich die Gegenseite mit ihren einfachen Botschaften zuverlässig durchsetzt. Insoweit kann ein gewisser Mut zur Vereinfachung wichtig sein, will man sich behaupten. Auf die Kraft des besseren Arguments zu vertrauen, wäre so gesehen geradezu fahrlässig. Denn manche stichhaltigen Argumente können zunächst einmal gar nicht ausgespielt werden, weil sie zu komplex, zu erklärungsbedürftig sind. So etwas erzeugt bei den Zuhörern keineswegs Zustimmung, sondern Unmut. Muss man die Dinge wieder so kompliziert machen?
Ein zweiter Punkt ist nicht weniger wichtig: Wenn die Kernbotschaft des anderen so richtig zündet, hat es jedes Gegenargument schwer. Ja, der Kontrahent setzt sich dem Verdacht aus, ein kleinlicher humorloser Erbsenzähler zu sein, der gar nicht begriffen hat, worum es eigentlich geht.
„Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“
Zweieinhalb Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer kam der amerikanische Präsident Ronald Reagan nach Berlin. Vor dem Brandenburger Tor hielt er eine Rede. Darin beschäftigte er sich mit der Reformpolitik des damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, der in Deutschland sehr populär war – ganz im Gegensatz zu Reagan. Dennoch setzte der US-Präsident ein eindrucksvolles Zeichen, als er Gorbatschow aufforderte, seinen Worten Taten folgen zu lassen. „Mr. Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor“, erklärte Reagan unter dem Beifall des Publikums. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“
Noch einmal: Eine Kernbotschaft ist kein rationales Argument. Sie spielt auf einem völlig anderen Register. Sie muss zünden, mitreißen, unmittelbar überzeugen. Doch wäre es ein wenig vorschnell anzunehmen, Argumente spielten dann gar keine Rolle mehr und man könnte sogar auf sie verzichten. Das ist durchaus nicht so. Vielmehr wird von Ihnen erwartet, dass Sie argumentieren und Ihren Standpunkt begründen.
Allerdings werden die Argumente keineswegs gegeneinander abgewogen. So etwas gibt es nur im Lehrbuch. Diskussionen im wirklichen Leben verlaufen völlig anders, nämlich sehr viel chaotischer und irrationaler, als wir meinen. Unsere Argumente können wir so gut wie nie vollständig und logisch präsentieren.
Im Zusammenhang mit den Kernbotschaften haben Argumente vor allem eine stützende, bisweilen auch dekorative Funktion. Allem Anschein nach gibt es gute Gründe für Ihre Position. Ich bin gerade mit anderen Themen befasst und habe wenig Neigung, mich mit den unerfreulichen Details zu befassen. Womöglich bin ich ein wenig beunruhigt, weil ich manches gar nicht verstehe. Doch dann präsentieren Sie mir Ihre simple Kernbotschaft – und ich bin beruhigt. Immerhin habe ich den Eindruck, ich hätte das Wesentliche begriffen, solange nur die Kernbotschaft bei mir angekommen ist.
In der Kernbotschaft selbst haben Erklärungen und Differenzierungen nichts zu suchen. Hier gilt das Prinzip der größtmöglichen Einfachheit. Ihr Ziel ist es, die Kernbotschaft bei Ihren Zuhörern zu verankern. Und das gelingt nur, wenn alles überschaubar bleibt. Sogar, wenn ich Ihrer Aussage
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