Die Sprache der Macht
Aber es lässt sich schlicht nicht auf ihn verzichten, wenn man den anderen mit Worten erreichen will. Erfolgreiche Kommunikatoren wissen ganz genau, welche Begriffe und Wendungen ihre Zuhörer kitzeln, welche ihnen Angst machen und welche sie nicht mehr hören können. Woher wissen sie das aber? Nun, sie kennen die Sprachwelt ihres Publikums, sie „schauen den Leuten aufs Maul“, wie es Luther formuliert hat – zweifellos ein Großmeister unter den Kommunikatoren der Weltgeschichte.
Das bedeutet zweierlei: Wer es mit unterschiedlichen Zuhörerkreisen zu tun hat, muss seine Botschaft womöglich verändern, damit sie ankommt. Aber eben auch nicht zu stark, denn er darf niemals mit „gespaltener Zunge“ sprechen. Eine wichtige Anforderung an die Sprache der Macht ist ihre Konsistenz, also Widerspruchsfreiheit. Alles, was man vor Publikum A sagt, muss im Prinzip auch bei Publikum B durchgehen. Sonst wirkt man unglaubwürdig. Überhaupt wird die Wirksamkeit einer Aussage beträchtlich geschmälert, wenn der Eindruck entsteht, dass sich da jemand sprachlich anbiedert. Zu wissen, wie die Leute reden, bedeutet keineswegs, sie zu kopieren. Im Gegenteil, es kann einer Botschaft zugute kommen, wenn sie ein gewisses Maß an Distanz einhält. Dadurch bleibt der Redner sich sprachlich treu. Und wenn das, was er zu sagen hat, nicht allzu vertraut klingt, kann genau diese leichte Fremdheit die Zuhörer neugierig machen.
Sprache der Macht im Alltag: Die Kunst, die richtigen Worte zu wählen
Hören Sie Ihre Botschaft mit den Ohren Ihres Publikums. Das verhindert, dass Sie an Ihren Zuhörern vorbeireden. Aber biedern Sie sich sprachlich niemals an.
Das Wir-Prinzip
Gäbe es eine Hitliste mit den wirksamsten Wörtern der Macht, müsste dieses unscheinbare Pronomen ganz oben stehen: das „Wir“. Wer „wir“ sagt, der verbündet sich mit den Angesprochenen. Er zieht einen Kreis, der die Zuhörer und ihn und vielleicht noch einige andere einschließt. Dieses „Wir“ stiftet Gemeinsamkeit, ja womöglich Vertrauen. Dieses „Wir“ kann zu einer beeindruckenden Größe anwachsen und das Gefühl von Stärke vermitteln. Oder aber das „Wir“ schmiedet nur den Sprecher und sein Gegenüber aneinander – gemeinsam gegen den Rest der Welt.
Machtstrategisch besonders nützlich erscheint das „Wir“, wenn es sich mit dem eigenen Willen, den eigenen Interessen verbinden lässt. Diese können nun als unser Wille und unsere Interessen angesprochen werden: Ein Bündnis mit anderen wird geschaffen, um den eigenen Willen durchzusetzen. In der Hoffnung, dass diese nicht merken, wie viel von meinem Willen eigentlich in unserem Willen steckt.
Das klingt nach Trickserei und ein bisschen Trickserei ist wohl auch immer mit im Spiel. Doch ohne dieses soziale Schmiermittel wären Sie gezwungen, Ihren Willen auf den Tisch zu legen und durchzusetzen, mit welchen Mitteln auch immer. Auf der einen Seite würde das den Widerstand erhöhen: Wenn Sie etwas wollen, kann ich Ihnen einfach einen Strich durch die Rechnung machen. Wie wir bereits im einleitenden Teil angesprochen haben, ist das eine sehr günstige (und verbreitete) Methode, sich ein persönliches Machterlebnis zu verschaffen. Doch auf der anderen Seite verfügen Sie womöglich über Machtmittel, Ihren Willen durchzusetzen: Sie können mir drohen, mich einschüchtern und bestrafen. Mit anderen Worten: Setzen Sie stattdessen auf das „Wir-Prinzip“, ersparen Sie mir die Demütigung, Ihrem Willen Folge leisten zu müssen. Denn unser gemeinsamer Wille ist ja eben auch meiner.
„Wir haben uns hohe Ziele gesteckt.“
Herr Peukert bemerkt gegenüber seinen Mitarbeitern: „Wir haben uns in diesem Jahr hohe Ziele gesteckt. Ich weiß, es wird nicht leicht sein, sie zu erreichen. Aber wenn wir Hand in Hand arbeiten, wird es uns gelingen.“ Tatsächlich hat niemand anderes als Herr Peukert diese Ziele vorgegeben. Indem er aber die Mitarbeiter miteinbezieht, bemäntelt er gnädig die Tatsache, dass die Mitarbeiter kaum eine andere Wahl haben, als die Zielvorgaben zu akzeptieren. Er unterstellt ihnen, das zu „wollen“, was er – im Sinne des Unternehmens – will. Die Mitarbeiter lassen sich auf diese Unterstellung ein.
Die positive Vereinnahmung
Das „Wir“ ist vereinnahmend. Aber jede Vereinnahmung hat auch ihre positive Seite. In gewissem Maße wollen wir nämlich durchaus vereinnahmt werden, denn es bedeutet, dass uns der andere braucht. Und gebraucht werden wollen wir unbedingt.
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