Die Sprache der Macht
seiner eigenen Ausdrucksweise bleibt, darf sich nicht wundern, wenn sich die Führung dadurch herausgefordert fühlt.
Nicht selten werden bestimmte Formulierungen ganz offen kritisiert. „Der Begriff gefällt mir nicht“, erklärt der Vorgesetzte. Oder: „Sie sprechen von Humanressourcen. Das klingt so technisch. Es handelt sich doch um Menschen. Ich finde, wir sollten besser von ‚unseren Mitarbeitern‘ sprechen.“
Keine Probleme, sondern „Herausforderungen“
In manchen Unternehmen wird es gar nicht gerne gesehen, wenn von „Problemen“ die Rede ist. Das klinge so „negativ“, heißt es. Zumindest die Führungskräfte sind gehalten, stattdessen von „Herausforderungen“ zu sprechen. Das klingt aktiv. Man sieht nicht die „Probleme“, wie sie einen drücken und belasten, sondern einen energiegeladenen Chef, der es gar nicht erwarten kann, endlich einmal „gefordert“ zu werden.
Über solche Hinweise können Sie sich nur hinwegsetzen, wenn Sie eine eigene starke Position haben. Aber sogar dann riskieren Sie einen Konflikt – was für einen machtbewussten Menschen allerdings gerade ein Anreiz sein kann, bei seiner Ausdrucksweise zu bleiben. Denn sinnfälliger lässt es sich nicht demonstrieren, dass man sich seine Unabhängigkeit bewahrt hat.
Kein Zweifel: Um einen Begriff durchzusetzen, braucht man Macht. Allerdings müssen Sie nicht selbst in einer Machtposition sein. Sie müssen nur diejenigen, die es sind, für Ihren Begriff gewinnen. Und das ist keineswegs aussichtslos. Denn diejenigen, die eine bestimmte Sprachregelung durchsetzen können, sind meist nicht diejenigen, die einen Begriff prägen. Sie greifen ihn auf.
Damit ein Begriff aufgegriffen wird, muss er benutzt werden. Und zwar möglichst oft und von den „richtigen“ Personen. Diese müssen in der Hierarchie gar nicht weit oben stehen, ja oft stehen sie sogar außerhalb der Organisation. Entscheidend ist etwas anderes: Dass sie sprachgewandt sind und dass man ihnen zuhört.
Es kann dauern, bis sich ein Begriff einnistet. Dabei sind zwei gegenläufige Effekte wirksam: Einmal muss sich der Begriff einschleifen, er darf uns nicht mehr fremd, sondern sollte uns vertraut erscheinen. Dann aber gibt es auch den Reiz des Neuen. Diesen Ausdruck habe ich noch nicht gehört und möchte gerne wissen, was dahinter steckt. Gefällt mir das, werde ich den Begriff womöglich bei nächster Gelegenheit selbst verwenden. So spricht er sich buchstäblich herum.
Begriffe umdeuten
Zur Sprache der Macht gehört nicht nur, Begriffe zu besetzen, sondern sie auch gekonnt umzudeuten. Dabei ist beides möglich: Ein Ausdruck, der positiv oder neutral gemeint war, wird ins Negative gewendet, oder ein abwertender Begriff wird positiv aufgeladen. Fall Nummer eins haben wir bereits beim „Neoliberalismus“ kennen gelernt sowie beim Schlagwort von den „blühenden Landschaften“ (→ S. 112). Doch auch für Fall Nummer zwei gibt es bemerkenswerte Beispiele.
Eine weit verbreitete Methode, Schmähworte unschädlich zu machen, besteht darin, eben diese Bezeichnung für sich selbst zu verwenden und mit positiven Konnotationen zu versehen. Auf diese Weise wurde das rüde Wort „schwul“, man möchte sagen: salonfähig. Seit dem Bekenntnis des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit: „Ich bin schwul. Und das ist auch gut so.“, hat der Begriff eine enorme Aufwertung erfahren. Heute klingt „schwul“ freundlicher und entspannter als die vermeintlich neutrale Bezeichnung „homosexuell“.
Vereinzelt gelingt die positive Umdeutung so gut, dass sich das negative Etikett gewissermaßen zu einem neuen Markenzeichen machen lässt. Es gibt kaum eine stärkere Widerlegung der Kritik.
Das „alte Europa“
Zu Zeiten des Irakkriegs unterschied US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Europa. Seine Botschaft: Den Ländern des „neuen Europas“ gehört die Zukunft, während das „alte Europa“ die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Doch das „alte Europa“ nahm die Charakterisierung gerne an. Denn der Begriff „alt“ ließ sich – gerade im Lichte der Ereignisse – positiv umdeuten. Im Sinne von: erfahren, fest in ehrwürdiger Tradition verwurzelt und nicht so leicht mitzureißen wie die „neuen Europäer“, die noch nicht so lange dazugehören.
Beim Thema Umdeuten befinden wir uns eigentlich schon bei den Gegenstrategien, von denen gleich noch die Rede sein wird. Hier nur so viel: Es gibt Begriffe, die
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