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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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die Gruppennormen respektiert. Machen Außenstehende von diesem Vokabular Gebrauch, bekommen sie Ärger oder sie werden eingemeindet. Wer zu einer rivalisierenden Gruppe gehört, wird sich daher hüten, bestimmte Begriffe zu verwenden. Sie sind für ihn tabu. In einigen Fällen jedoch gerade nicht, wie wir noch sehen werden.
    Manche dieser Begriffe dienen ausschließlich als Erkennungszeichen: ein bestimmtes Fachvokabular oder ungewöhnliche Ausdrücke, die nur in dieser Gruppe üblich sind. In anderen Fällen werden Begriffe beansprucht, weil sie mit positiven Vorstellungen und angenehmen Gefühlen verbunden sind. Man möchte Zustimmung und Sympathie ernten. Vor allem die politischen Parteien sind bestrebt, bestimmte Themen und Begriffe zu besetzen. So verbindet sich der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ mit Ludwig Ehrhardt und daher traditionellerweise mit der CDU. „Soziale Gerechtigkeit“ ist ein Begriff, den die Sozialdemokraten für sich reklamieren (neuerdings auch „die Linke“). „Ökologie“ und „Frieden“ sind Leitbegriffe der Grünen, während „Freiheit“ und „Senkung von Steuern und Abgaben“ der FDP zuzuordnen sind.
    Nun haben die Parteien keineswegs ein Monopol auf „ihr“ Thema. Die Konkurrenz kann ihnen durchaus auf ihrem angestammten Feld den Rang ablaufen. Der Punkt, der uns hier interessieren soll: Dies geschieht in aller Regel, indem ein neuer, ein eigener Begriff kreiert wird. So thematisierte der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler die „neue soziale Frage“. Und während die Begriffe „Ökologie“ und „öko“ noch immer ein grünes Markenzeichen sind, haben die anderen Parteien den „Umweltschutz“ zu ihrem Thema gemacht.
    Der Kampf um die „Mitte“
    Mit Ausnahme der „Linken“ sind alle Parteien bestrebt, den Begriff der „Mitte“ für sich zu beanspruchen. So finden sich Bezeichnungen wie „die neue Mitte“ (Gerhard Schröder), die „Koalition der Mitte“ (Helmut Kohl), „Mitten im Leben“ (Slogan der CDU unter Angela Merkel) und „die Mitte stärken“ (Deutschlandprogramm der FDP 2009). Aufschlussreich ist auch die Aussage des SPD-Politikers Franz Müntefering: „Mitte ist da, wo die linke Volkspartei SPD ist.“ Jeder befindet sich in der Mitte. Nur irgendwie anders.
    Das Phänomen gibt es aber nicht nur in der Politik: Überall, wo konkurriert wird und sich Gruppen gegeneinander abgrenzen, werden Begriffe besetzt mit dem Ziel zu signalisieren: Dafür stehen wir, darauf legen wir besonderen Wert – und nicht die anderen. Nach Möglichkeit geht es dabei um Dinge, die auch dem Publikum am Herzen liegen, den Kunden, den Wählern, den Unterstützern und Anhängern. Näher wird uns dieses Thema im Abschnitt über die „Werte“ beschäftigen (→ S.157, „Wunderwaffe Werte“).
    Mit Begriffen abwerten
    Auch das umgekehrte Verfahren ist weit verbreitet: Konkurrenten und Gegner werden mit Begriffen belegt, die mit negativen Konnotationen verbunden sind. Die Kunst dabei besteht darin, das Publikum von zwei Dingen zu überzeugen:
dass der Begriff auf die Gegenseite überhaupt zutrifft,
dass der Begriff tatsächlich etwas Negatives bezeichnet.
    Das ist oftmals nicht so einfach, wie es klingt. Denn es geht nicht einfach darum, verbal auf die Konkurrenz einzudreschen. Überzogene Angriffe oder gar Beleidigungen fallen auf denjenigen zurück, der sie äußert. Allenfalls die eigenen Anhänger mögen da Beifall klatschen; aber auch das ist eher Ausdruck ihrer Machtlosigkeit. Sie berauschen sich an den wüsten Beschimpfungen, die der Gegenseite gelten – eben weil sie ihr gegenüber nichts zu melden haben.
    Erste Voraussetzung daher: Der Begriff muss plausibel sein. Er muss zu der Gegenseite passen. Ideal ist es, wenn die Gegenseite diesen Begriff für sich selbst in Anspruch nimmt (Punkt 1) und man ihn negativ aufladen kann (Punkt 2). Weit häufiger dürfte allerdings der Fall auftreten, dass man nicht denselben, sondern einen ähnlichen Begriff ins Spiel bringt. Dieser Begriff lässt sich nämlich leichter mit negativen Konnotationen in Verbindung bringen. Zugleich lässt er sich auch leichter der Gegenseite anhängen.
    Ein bemerkenswertes Beispiel ist der altehrwürdige Begriff „liberal“. Auf den ersten Blick erscheint er alles andere als abwertend. Liberales Gedankengut gehört vielmehr zum „Common sense“. Und doch gibt es gleich zwei, geradezu gegensätzliche Versuche, mit diesem Begriff den politischen Gegner abzuqualifizieren. In

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