Die Sprache der Macht
Bedeutung, die der Natur entstammen, die sich aber auf soziale Phänomene beziehen. Bilder aus der Natur gehören zu den beliebtesten und wirksamsten Metaphern überhaupt. Denn sie sind anschaulich, lebendig, bodenständig, und sie vermitteln den Eindruck, als gebe es keine Alternative.
Wachstum
Eine außerordentlich wirkungsmächtige Metapher aus der Natur ist das „Wachstum“. Ein Organismus, der wächst, ist gesund und vital. Wo nichts mehr wächst, ist kein Leben. Daher drängt sich der Schluss auf: Unternehmen, Märkte, Volkswirtschaften müssen „wachsen“. Sonst sind sie dem Untergang geweiht.
Nun bezieht sich das Wachstum von Unternehmen, Märkten oder Volkswirtschaften auf völlig andere Dinge als das Wachstum in der Natur. Dort geht es um solche Prozesse wie Zellteilung, während hier innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Ergebnisse des Wirtschaftens in Geldbeträgen beziffert und verglichen werden. Damit ist nicht gesagt, dass es falsch ist, „Wirtschaftswachstum“ zu erreichen. Doch seine Überzeugungskraft verdankt das Argument ohne Zweifel der Eigendynamik dieser sehr weit reichenden Metapher. An sie lassen sich noch weitere Metaphern anschließen, die nicht weniger wuchtig sind: Krankheit, Gesundheit, Sterben, Tod.
Gegenstrategien
Metaphern sind allgegenwärtig und zweifellos nützlich. Dennoch ist es hilfreich, die Metaphern, die uns begegnen, immer wieder mal aufzudröseln. Manchmal sind die Metaphern erst auf den zweiten Blick zu erkennen, weil sie sich schon zu einem Begriff verfestigt haben. Aber auch hier hilft ein analytischer Blick hinter die sprachlichen Kulissen. Der Metaphernexperte George Lakoff nennt als Beispiel den Begriff „Steuerentlastung“ („tax relief“). Dahinter steckt die Vorstellung, Bürgern oder Unternehmen werde durch die Zahlung von Steuern eine „Last“ aufgebürdet, die diese zu tragen hätten. Steuersenkungen sind in diesem Bild immer etwas Positives, denn sie reduzieren die „Last“. Völlig unbelastet sind wir, wenn wir gar keine Steuern zahlen. Wofür die Steuergelder verwendet werden, fällt bei dieser Metapher unter den Tisch. Ebenso, dass der steuerfinanzierte Staat die Voraussetzungen dafür schafft, dass Bürger Einkommen erwirtschaften können. Das sollte man bedenken, ehe man diesen Begriff leichtfertig verwendet und womöglich gegen „Steuerentlastungen“ argumentiert.
Das erste, was Sie tun können, ist also: Bringen Sie die unausgesprochenen Voraussetzungen zur Sprache. Und weisen Sie die unangemessene Metapher zurück. In jedem Fall aber: Benutzen Sie selbst keine Metapher, die nachteilig für Sie ist.
In einem zweiten Schritt können Sie einen neuen Begriff prägen oder eine neue Metapher, die Ihren Zielen und Interessen entspricht. Umbeim Beispiel der „Steuerentlastungen“ zu bleiben, so schlägt Lakoff vor, Steuern als Investition der Bürger in das Gemeinwohl zu bezeichnen. Steuersenkungen wären demnach sinkende Investitionen.
Dabei ist aber zweierlei zu bedenken: Manche Metaphern haben sich so fest etabliert, dass sie nur schwer zu umgehen sind. Sie gehören zum sprachlichen Bestand und lassen sich nicht ohne weiteres durch eine neue Metapher ersetzen. Oder gar durch einen so dünnblütigen Begriff wie „Investition“. Zweitens müssen Sie oft damit rechnen, dass Ihr neuer Begriff, Ihre neue Metapher angefeindet, stigmatisiert oder der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Metaphern sind eben auch eine Machtfrage. Und wer von einer bestimmten Metapher profitiert, wird versuchen sie zu schützen.
Das heißt nun keinesfalls, dass Sie darauf verzichten sollten, eigene Metaphern zu prägen. Nur sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass es dauern kann, ehe sie akzeptiert werden, und dass Sie auf Widerstand stoßen werden. Sie brauchen Hartnäckigkeit.
Allerdings gibt es noch eine dritte Gegenstrategie: Sie lassen sich auf die fragliche Metapher ein – aber deuten sie in Ihrem Sinne um. Das ist ein sehr übliches Verfahren, das außerdem den Vorzug besitzt, dass die Gegenseite nun nicht mehr bedenkenlos von der Metapher Gebrauch machen kann. So weisen Kritiker des „Lean Managements“ darauf hin, dass „lean“ gar nicht „schlank“ bedeutet, sondern „mager“. Folgerichtig sprechen sie von der „Magersucht“, die viele Unternehmen „befallen“ habe. Aber auch der Begriff des „Wachstums“ wird von Kritikern umgedeutet, wenn sie darauf hinweisen, dass Wachstum in der Natur immer begrenzt sei. „Unbegrenztes
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