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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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Wachstum“ gebe es nur in einem speziellen Fall: bei Tumorzellen. Auf diese Weise wird die Metapher regelrecht umgedreht: Unbegrenztes Wachstum ist lebensfeindlich.
    Wunderwaffe Werte
    „Etwas ist noch schlimmer als Ungerechtigkeit, und das ist Gerechtigkeit ohne Schwert in der Hand. Wenn Recht nicht Macht ist, ist es Übel.“ – Oscar Wilde: Der Kritiker als Künstler
    Für die Sprache der Macht sind Werte von überragender Bedeutung. Dabei ist es nicht allein so, wie es das Zitat von Oscar Wilde nahelegt: Dass Werte wie Gerechtigkeit Macht brauchen, um sich Geltung zu verschaffen. Mindestens ebenso gilt der Umkehrschluss: Die Machtbraucht Werte, um ihre Interessen, ihren Willen durchzusetzen. Denn es sind die Werte, die den Willen stark machen, ihm regelrecht einen Schub verleihen. Werte sind eine Art Turbolader für den Willen. Insoweit kann keine Macht auf Werte verzichten.
    Dabei ist es für unser Thema völlig unerheblich, ob sich jemand mit den besten Absichten in den Dienst einer guten Sache stellt oder ob er am Ende nur sein eigenes Wohlergehen im Sinn hat. Dass jemand ein bestimmtes Ziel erreichen will und diesen Willen „auch gegen Widerstreben“ durchsetzen möchte, ist nach unserem Verständnis von Macht völlig hinreichend. Dass sich jemand bei der Durchsetzung seines Willens auf Werte beruft und wie er das tut, das ist Gegenstand dieses Abschnitts.
    Die Wertefrage
    Ganz allgemein gesprochen sind Werte Leitvorstellungen über das, was wir für wünschenswert und bedeutsam halten. Werte helfen uns, das Richtige zu tun. Sie ermöglichen uns, über unser Verhalten (und das unserer Mitmenschen) nachzudenken, es zu beurteilen, mit einem Wort: es zu bewerten.
    Das klingt eigentlich ganz einfach, ist es aber nicht. Denn Werte sind keineswegs so eindeutig, wie häufig unterstellt wird – vorzugsweise von denen, die sich auf diese Werte berufen. Werte sind abstrakt, sie müssen immer wieder ausgelegt und konkretisiert werden. Das kann auf recht unterschiedliche Art und Weise geschehen. Zwar gibt es in Wertefragen einen gewissen Konsens, allerdings bezieht sich der vor allem auf Fälle, in denen gegen einen bestimmten Wert wie Gerechtigkeit oder Ehrlichkeit verstoßen wird. Auch gibt es so etwas wie moralische Intuition: Aus dem Bauch heraus bewerten Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen bestimmte Fälle übereinstimmend. Aber eindeutige Handlungsanweisungen, was in einer bestimmten Situation zu tun ist, sind von Werten nicht zu erwarten.
    Zusätzlich kompliziert wird die Sache dadurch, dass sich ein und dieselbe Person mehreren Werten verpflichtet fühlt. Sagen wir: Gerechtigkeit, Gemeinsinn, Ehrlichkeit, Respekt, Freiheit, Selbstbestimmung, Chancengleichheit, Wohlstand, Frieden, Meinungsfreiheit, Umweltschutz. Diese Werte können durchaus sehr verschiedene Verhaltensweisen nahelegen.
    Darin liegt ein gewisses Problem, denn Werte sollen ja verbindlich gelten. „Werterelativismus“ ist keine Option, sondern wird beklagt.
    Gilt Gerechtigkeit nicht mehr? Bleibt die Freiheit auf der Strecke? Haben wir uns von der Chancengleichheit verabschiedet? Wer ein bisschen Frieden und ein Stückchen Ehrlichkeit einfordert, legt die Vermutung nahe, dass es ihm mit diesen Werten nicht besonders ernst ist.
    Was aber folgt daraus? Ganz praktisch lösen wir das „Werte-Problem“ auf zwei unterschiedliche Arten: Entweder wägen wir ab, was in dem betreffenden Fall wohl die beste Option ist: Soll hier die Freiheit eingeschränkt werden, um Chancengleichheit zu garantieren? Muss dort das Recht auf Selbstbestimmung zur Geltung kommen, auch wenn es auf Kosten des Gemeinsinns geht? Da gibt es keine eindeutigen Lösungen, vielmehr müssen wir eine Entscheidung treffen, die uns manchmal nicht nur Kopfzerbrechen, sondern auch „Bauchschmerzen“ bereitet, weil wir nicht sicher sind, richtig entschieden zu haben.
    Völlig anders das zweite Vorgehen: In der einen Situation berufen wir uns auf die Gerechtigkeit, in der anderen möchten wir der Chancengleichheit zum Durchbruch verhelfen, im dritten Fall schreiben wir uns den Gemeinsinn auf die Fahnen. Alle anderen Werte fallen bei dieser Gelegenheit unter den Tisch; sie werden zumindest nicht diskutiert. Das Thema ist jeweils Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Gemeinsinn. Dafür machen wir uns stark. Das wiederum gibt uns beträchtliche Energie, die uns im ersten Falle fehlt. Da sind wir Richter, hier sind wir Kämpfer.
    Es liegt auf der Hand, dass wir uns auf das zweite

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